Verlockung der Nacht
Tyler mit seinem qualmenden Papierkorb und dazu Bones und mich erblickte, die wir uns seelenruhig von der Sprinkleranlage berieseln ließen.
»Nur ein kleines Malheur mit einer in den Papierkorb gefallenen Zigarette, aber das hat sich erledigt«, verkündete Bones, den Mann aus smaragdgrünen Augen anfunkelnd. »Gehen Sie und sagen Sie Ihren Leuten, sie können den Alarm und die Sprinkleranlage ausschalten.«
Der Angestellte trat wortlos den Rückzug an. Ich sprach erst wieder, als er außer Sichtweite war.
»Wir müssen nachsehen, was mit Chris und den anderen ist. Was, wenn ich nicht die Erste war, die Kramer angegriffen hat?«
Bones nickte. »Bleib hier«, murmelte er Tyler zu.
»Nein, er muss auch mit.« In der Gruppe waren wir sicherer, falls Kramer sich noch in der Nähe herumtrieb und darauf lauerte, einen von uns allein zu erwischen. »Außerdem hat er vielleicht noch was von dem Zeug, das Kramer vertrieben hat.«
»Das war Salbei«, antwortete Tyler und straffte die Schultern. »Ich hätte es ja auch damals in meinem Laden gegen Kramer eingesetzt, aber mit meiner Nahtoderfahrung hatte ich einfach zu viel am Hals. In meinem Zimmer habe ich noch mehr. Und ohne Dexter gehe ich sowieso nirgendwohin.«
Da fiel mir Helsing ein, und ich kniete mich vors Bett, als ich anhand seines Herzschlags erkannte, wo der Kater war. Das kluge Tier hatte sich verkrochen, als Porzellan durch die Gegend geflogen war. Wie ich es mit einem verängstigten Kater im Arm mit einem Geist aufnehmen sollte, wusste ich auch nicht, aber auch ich würde nicht riskieren, meinen Liebling allein im Hotel zurückzulassen, falls Kramer auf eine zweite Runde aus war.
»Komm schon, Kleiner«, murmelte ich. »Wir hauen ab.«
Ich setzte meinen Koffer in dem kleinen Zimmer ab, in dem ich bis zu meinem zweiundzwanzigsten Lebensjahr gewohnt hatte. Eine feine Staubschicht bedeckte die Fensterbretter und Möbel, aber ich hatte keine Zeit zum Saubermachen. Immer schön der Reihe nach; erst mal musste das Haus für mehr Gäste hergerichtet werden, als es fassen konnte.
»Stellt die EMF -Meter in der Küche und im Wohnzimmer auf«, hörte ich Chris’ Instruktionen. »Dann will ich Infrarot und RK 2s in den anderen Zimmern. Kein Feinstofflicher kommt durch diese Wände, ohne dass wir es merken, Leute.«
»Macht ihr nur. Ich halte mich an Dexter. Er weiß vor euren ganzen Geräten, ob ein Geist im Anmarsch ist«, murmelte Tyler, der gerade die Treppe heraufkam.
Bei der Erfolgsquote des Hundes war ich geneigt, Tyler beizupflichten. Selbst Helsing hatte bewiesen, dass er Kramers Nahen spüren konnte, aber wenn das Equipment, das Chris da aufbaute, eine zusätzliche Sicherheit darstellte, würde ich mich bestimmt nicht beschweren. Dexter und Helsing mussten schließlich auch mal schlafen.
Die gute Nachricht war, dass im Hotel niemand außer uns etwas von Kramers Besuch mitbekommen hatte. Die schlechte war, dass Kramer schnell Abhilfe schaffen konnte, wenn wir blieben, also brauchten wir eine neue Unterkunft, die trotzdem relativ nah bei der Höhle lag. Und je weniger Unbeteiligte in der Nähe waren, desto besser, falls Kramer uns noch einmal aufspürte. Wie sich herausgestellt hatte, war er ja nicht gerade der Mitfühlendste.
Mein altes Zuhause war also für die nächsten paar Tage, in denen wir die Falle fertigstellen wollten, unsere beste Option. Nachdem meine Großeltern gestorben und wir wegen meines neuen Jobs als Geheimagentin umgezogen waren, hatte meine Mutter das Haus verkauft, aber ich hatte es zurückerworben, nachdem ein nettes Pärchen darin von Vampiren ermordet worden war, die eigentlich mich aus der Reserve locken wollten. Seither glaubten die meisten Leute, das Haus würde leer stehen. Normalerweise tat es das auch. Strom und Wasser waren aber nicht abgestellt, weil Bones und ich ab und an darin wohnten, wenn wir in Ohio waren. Auf der das Haus umgebenden Plantage war seit Jahren nicht geerntet worden. Mein knausriger Großvater hätte sich bestimmt im Grabe umgedreht, wenn er von einer solchen Verschwendung einwandfreier Kirschbäume gewusst hätte. Doch das weitläufige, verwilderte Gelände sorgte auf natürliche Weise für Privatsphäre, weil man von den angrenzenden Grundstücken aus weder sehen konnte, ob im Haus Licht brannte, noch ob sonstiges Leben darin herrschte.
Bones kam ins Zimmer und bestreute die Fensterbretter und Möbel großzügig mit einer Mischung aus gehacktem Knoblauch und Marihuana. Ersteres hatten wir in
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