Verloren: House of Night 10 (German Edition)
mehr behaupten, wir seien nur eine Gruppe Kids, die zufällig auf dieselbe Schule gehen!«
»Hast du dir schon mal überlegt, dass vielleicht nur du dieses Gefühl hast, ich aber nicht? Und hab ich dann nicht die Wahl? Ich dachte, Nyx ginge die freie Wahl über alles.«
»Schon, aber deshalb darf man doch trotzdem was dagegen sagen, wenn man das Gefühl hat, dass jemand, den man mag, was Voreiliges tut.«
»Lass sie gehen.«
Erin und ich sahen auf. Aphrodite stand mit gekreuzten Armen auf der untersten Stufe des Einstiegs, den Rücken gegen den Türrahmen gelehnt. Ich erwartete, die typische Aphrodite-Blasiertheit auf ihrem Gesicht zu sehen, aber sie wirkte überhaupt nicht genervt. Sie klang auch nicht sarkastisch. Sie schien einfach nur sehr überzeugt von dem zu sein, was sie sagte. Hinter ihr standen Stevie Rae und Shaylin. Beide nickten. Und diese stumme Zustimmung für Aphrodite gab den Ausschlag. Mein Rat hatte einen Beschluss gefasst – er hatte entschieden, was das Beste für uns sein würde, auch wenn es vielleicht nicht das Beste für Erin war.
»Danke, Aphrodite. Wer hätte geglaubt, dass du mich mal unterstützen würdest?« Erin lachte. Gegen Aphrodites ruhige, erwachsene Worte klang es kindisch und zickig.
»Weißt du was, Erin? Ich bin froh, dass du und Aphrodite mich daran erinnert habt, dass Nyx uns die freie Wahl lässt«, sagte ich. »Wenn du lieber im House of Night wohnen willst, dann akzeptiere ich das. Ich hoffe nur, dass das für unseren Kreis nichts ändert. Du bist immer noch unser Wasser. Du und dein Element sind weiterhin wichtig für uns.«
Auf Erins Lippen lag ein Lächeln, aber es erreichte nicht ihre kalten blauen Augen. »Aber klar. Ich bin immer noch das Wasser, und Wasser findet immer einen Weg. Ruft mich nur an, wenn ihr mich braucht. Ich komme dann sofort.«
»Hört sich gut an«, sagte ich und fühlte mich total verlegen. »Na gut, dann sehen wir uns wohl morgen.«
»Ja, genau. Zur ersten Stunde.« Und sie hob die Hand, winkte einmal flüchtig und ging davon.
Ich stieg in den Bus und fragte Darius: »Sind alle da?«
»Alle vollzählig.«
»Gut, fahren wir heim.« Wir verteilten uns auf unsere Plätze – Stevie Rae neben Rephaim, Aphrodite auf den Sitz direkt hinter dem Fahrer. Stark wartete in der Reihe dahinter auf mich. Ich beugte mich über ihn, küsste ihn und flüsterte: »Ich will nur kurz nach Shaunee sehen, dann komm ich zu dir.«
Er strich mir sanft über die Wange. »Ich warte auf dich. Auf immer und ewig.«
Im Rhythmus der Schlaglöcher taumelte ich nach hinten, während Darius den Bus einmal um den Parkplatz lenkte und dann Kurs auf die Ausfahrt nahm. Shaunee saß ganz allein in der hintersten Reihe.
»Kann ich mich kurz zu dir setzen?«
»Klar.«
»Okay. Zwischen dir und Erin herrscht also mehr oder weniger Funkstille?«
Shaunee kaute auf der Innenseite ihrer Backe herum. »Mhm.«
Ich versuchte, etwas zu finden, womit ich an sie herankam. »Sie ist wohl ganz schön sauer.«
»Nein, ist sie nicht, glaube ich.«
Ich runzelte die Stirn. »Aber sie kam mir so vor.«
»Nein.« Shaunee sah zum Fenster hinaus. »Denk noch mal darüber nach, wie sie in den letzten Tagen war, aber vor allem heute. Sauer trifft es nicht.«
Ich dachte nach. Erin war kalt gewesen. Gefühllos. Und das war eigentlich schon alles. »Stimmt. Jetzt, wo ich darüber nachdenke, kommt es mir vor, als wäre sie hauptsächlich irgendwie unnahbar gewesen. Komisch.«
»Und weißt du, was noch komischer ist?« Shaunee zeigte durchs Fenster auf den kleinen Lehrerhof, der mehr oder weniger an den Parkplatz grenzte. Neben dem Springbrunnen saß ein Mädchen. Es war gerade hell genug, um zu erkennen, dass sie die Hände vors Gesicht geschlagen hatte. Ihre Schultern bebten, als weinte sie sich die Seele aus dem Leib. »Dass sie mehr Gefühle zeigt als Erin.«
»Wer ist das denn?«, fragte ich.
»Nicole.«
»Nicole? Die rote Nicole? Ganz sicher?« Ich reckte den Hals, um einen besseren Blick auf sie zu bekommen, aber wir waren schon in der Auffahrt, und bald wurde sie von den Bäumen am Straßenrand verdeckt.
»Ganz sicher. Ich hab sie gesehen, als wir zum Bus gingen.«
»Huh. Was mit der wohl los ist?«
»Ich glaube, dass sich für manche von uns gerade einiges ändert. Und manchmal ist das einfach nur ätzend.«
»Kann ich irgendwas tun, damit es für dich nicht ganz so ätzend ist?«
Da sah sie mich an. »Sei einfach meine Freundin.«
Ich blinzelte verwirrt. »Ich bin doch
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