Verloren: House of Night 10 (German Edition)
ist ’n ganz knackiges Kerlchen«, sagte Stevie Rae.
»Wer – der Typ, der mit Damien redet?«, fragte Shaylin, die sich zu uns gesellt hatte.
»Ja. Sie machen gerade ’n Date aus«, erklärte Stevie Rae und starrte die beiden unverwandt an.
»Er hat schöne weiche Farben«, sagte Shaylin. »Passen richtig gut zu denen von Damien.«
Aphrodite schnaubte sarkastisch. »Was, verschmelzen etwa ihre Regenbögen?«
Shaylin runzelte die Stirn. »Sie haben gar keine Regenbogenfarben. Das ist ein so blödes Klischee. Sie haben Sommerhimmelfarben – Blau und Gelb. Damien hat auch ein bisschen weißes Wattezeug, das aussieht wie Wolken.«
»Heilige Scheiße, es hat überhaupt keinen Humor«, seufzte Aphrodite.
»Aphrodite, hör auf, Shaylin ›es‹ zu nennen. Das ist nich nett.«
Aphrodite sah Stevie Rae mit fragend erhobener Augenbraue an. »Okay, nur zum Vergleich: Wie nicht nett ist es auf der Landei-Schimpfwort-Skala? Ist es ›unter aller Sau‹ oder ›hinterfotzig‹ oder einfach nur ›assig‹?«
»Du bist die Hohepriesterin, aber ich würde sagen, wenn du ihr antwortest, ermunterst du sie nur, weiterzumachen«, sagte Shaylin sehr nüchtern. »Wie wenn man ein schreiendes Kind auf den Arm nimmt, weißt du – die schreien auch immer weiter.«
Ich konnte nur denken: Hilfe, gleich reißt ihr Aphrodite die Haare samt den Wurzeln aus.
Aber Aphrodite fing an, zu lachen. »Hey, es hat einen Scherz gemacht. Vielleicht hat es doch irgendwo einen Charakter.«
»Aphrodite, vielleicht hast du doch irgendwo ’nen Hirnschaden«, sagte Stevie Rae.
»Danke«, sagte Aphrodite. »Ich gehe jetzt zum Bus. Und ich stoppe die Zeit. Wenn Turteltäubchen länger als fünf Minuten flirtet, werde ich –« Sie brach ab, als sie zum Bus blickte. Ich folgte ihrem Blick. Neben der offenen Bustür standen Shaunee und Erin. Shaunee sah durcheinander aus. Auf Erins Gesicht war keine wie auch immer geartete Regung zu erkennen. Sie unterhielten sich, aber wir konnten nicht hören, worüber.
»Irgendwas stimmt nicht mit ihr«, sagte Aphrodite.
»Mit wem?«, wollte Stevie Rae wissen.
»Erin«, sagte Shaylin.
»Ja. Etwas stimmt mit Erin nicht«, wiederholte Aphrodite.
Ich hätte nicht sagen können, was mich mehr erschütterte – was Aphrodite und Shaylin sagten oder dass sie sich einig waren.
»Sag mir, was du siehst«, bat Stevie Rae Shaylin leise.
»Hm, mal schauen, wie beschreibe ich das am besten? Hinter dem Haus, wo ich als kleines Kind wohnte, noch bevor ich blind wurde, gab’s einen kleinen Abflusskanal. Da hab ich gern gespielt und mir vorgestellt, es wäre ein rauschender Gebirgsbach und ich lebte in den Rocky Mountains in Colorado, er war nämlich klar und sogar einigermaßen schön. Aber wenn ich ihm zu nahe kam, konnte ich ihn riechen. Er roch nach Chemie und irgendwas anderem, irgendwie verrottet. So schön das Wasser aussah, unter der Oberfläche war es verschmutzt. Giftig.«
»Shaylin.« Ganz ehrlich, ich war am Rande meiner Geduld. Es war, als müsste ich einem von Kramishas Gedichten zuhören – und das war oft ein zweifelhaftes Vergnügen. »Was zum Henker soll das heißen? Erin hat die Farbe von giftigem Wasser? Und wenn ja, warum hast du uns das nicht schon früher gesagt?«
»Weil sie sich verändert!«, schrie Shaylin. Als Shaunee und Erin, genau wie ein paar der Kids im Bus, sich zu uns wandten, fügte sie hinzu: »Riecht ihr das? Die Luft wird schon richtig frühlingshaft! Was für eine tolle Nacht!«
Ein paar Köpfe wurden geschüttelt und Stirnen gerunzelt, aber wenigstens hörten uns die Kids nicht mehr zu.
»Meine Scheiße, du wärst eine ganz schön miese Spionin«, bemerkte Aphrodite mit gedämpfter Stimme und winkte uns alle dicht heran. »Z, tu nicht so dämlich. Es ist ganz einfach. Was Shaylin meint, ist, dass Erin genauso aussieht wie immer – hübsch, blond, nett, perfekt. Du weißt schon, normal halt. Aber unter der Oberfläche stimmt was nicht. Da ist was verrottet. Du kannst das nicht sehen. Ich auch nicht. Aber Shaylin kann es.« Sie spähte zum Bus hinüber. Wir folgten ihrem Blick und sahen, wie Shaunee verneinend den Kopf schüttelte und rasch die schwarzen, gummibelegten Stufen hinaufstieg, während Erin unten stehen blieb, wunderschön, aber irgendwie sehr, sehr kalt. »Möglich, dass Shaunee es auch sieht. Aber ihr würden wir nicht glauben. Wir würden denken, sie sei nur sauer auf Erin, weil das siamesische Gehirn chirurgisch getrennt wurde.«
»Klingt ziemlich
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