Verloren in deiner Sehnsucht: Roman (German Edition)
nicht genau was, aber wenn der Regen aufhört und der Morgen beginnt, brauche ich –« Sie verstummte abrupt und holte tief Luft. »Ich meine, ich werde dir immer dankbar sein.«
Er hielt sie in seinem Arm und küsste sie auf den Scheitel. »Ich will deine Dankbarkeit nicht, Antonia«, sagte er. »Nur dein Glück.«
»Ich weiß«, murmelte sie mit schläfriger Stimme. »Das weiß ich, Gabriel.«
Eng umschlungen fielen sie in einen ruhelosen Schlaf, während der Regen durch die Fallrohre rauschte und der Morgen heraufzog. Jeder von ihnen träumte davon, was hätte sein können.
Kapitel 14
D ie Küste bei Portsmouth lag im Dunkeln, und der stechende Geruch nach Salz und Seetang erfüllte die Nachtluft. Die elegante Kutsche bog in eine schmale gepflasterte Gasse ein und hielt gleich darauf an. Als Gabriel das Plätschern der auflaufenden Flut hörte, die gegen die Kaimauern des Hafenbeckens schlug, lief ihm ein Schauder den Rücken herunter.
Sie hatten vor einer Schänke gehalten, deren eiserne Laternen an ihren Halterungen hin und her schwangen und ein trübes Licht in die Gasse warfen. Vier übel aussehende Männer drückten sich im Schatten des Hauses herum. Plötzlich stieß sich der größte von ihnen mit dem Fuß von der Mauer ab und schlenderte lässig auf die Kutsche zu. »Seid Ihr Warneham?«, fragte er durch das Fenster.
»Ja«, zischte der Duke, zog seine Geldbörse hervor und steckte dem Mann einen Geldschein zu.
Der Mann verstaute ihn in seinem Rock. »Wo ist er?«
Der Duke hob die behandschuhte Hand und deutete in das Innere der Kutsche. »Hier«, stieß er hervor. »Schafft ihn mir aus den Augen. Und sorgt, verdammt noch mal, dafür, dass er England nie wiedersieht, habt ihr verstanden?«
Der Mann lachte ein tiefes, heiseres Lachen und riss den Schlag auf. Erst jetzt begriff Gabriel, was vor sich ging. »Nein!«, schrie er. »Wartet, Sir! – Ich will zu meiner Großmutter! Lasst mich gehen! Ich will wieder zurück!«
»Och, er weint nach seiner Granny, eh?« Der Mann machte eine Bewegung, als wollte er Gabriel am Kragen packen.
»Nein, wartet!« Gabriel hielt sich am Türrahmen fest, als der Mann ihn aus der Kutsche zerren wollte. »Halt! Euer Gnaden! Ihr ... Ihr könnt doch nicht zulassen, dass sie mich mitnehmen!«
»Das kann ich nicht, sagst du?« Warneham hob den Fuß und rammte den Absatz seines Stiefels gegen die Türkante und auf Gabriels Handknöchel. Gabriel schrie vor Schmerz auf und ließ los. In dem Moment schlang der Mann seinen Arm um Gabriels Taille und riss ihn rückwärts auf seine Hüfte, als wäre der Junge ein Sack Kartoffeln.
Warneham steckte den Kopf durch die Tür, als die Männer davongingen. »Du hast Angst vorm Wasser, eh?«, rief er. »Nun, bei Gott, dann wirst du jetzt etwas erleben, vor dem deine Angst wahrlich berechtigt ist, du kleiner jüdischer Bastard!«
Den dritten Tag ihrer Krankheit ertrug Nellie Waters nur noch unruhig wie ein altes Schlachtross und machte sich daran, die Treppe hinunter und in das Zimmer ihrer Herrin zu schleichen, während sie sich eine Reihe von Vorwänden zurechtlegte. Sie habe vergessen, Myladys Haarnadeln bereitzulegen. Sie wolle einige Dinge zusammensuchen, die am Montag in die Wäsche gegeben werden mussten. Aber alles waren so durchschaubare Ausreden, dass Antonia ihnen keine Beachtung schenkte und Nellie stattdessen ohne Umschweife wieder in ihr Bett schickte.
Bei einem erneuten Vorstoß dieser Art gelang es Nellie jedoch, sich einen Beutel voll zu stopfender Strümpfe und ihre Nähnadeln zu greifen. Als sie nach ihrem gelungenen Beutezug in ihr Zimmer zurückkehrte, sah sie sich George Kemble gegenüber. Mit einer Schulter lehnte er sich lässig gegen den Türrahmen ihres Schlafzimmers, während er auf sie wartete.
»Ah, Mrs. Waters, guten Morgen! Wie ich sehe, befindet Ihr Euch auf dem Weg der Genesung.«
»Das sagt mal meiner Lady«, erwiderte die Zofe mürrisch. »Was habt Ihr hier überhaupt zu suchen, Mr. Kemble? Hier gibt es nur die Zimmer der Hausmädchen, das solltet Ihr mittlerweile eigentlich wissen.«
»Ach, tatsächlich?«, gab Kemble sich ahnungslos. »Wie aufregend! Vielleicht werde ich ja einen neckischen Blick auf Euren wohlgeformten Knöchel erhaschen können, Mrs. Waters – in diesen entzückenden braunen Halbschuhen, die Ihr zu bevorzugen scheint?«
Mr. Kemble sah den Beutel mit den Strümpfen nicht kommen, mit dem Mrs. Waters ihn seitlich am Schädel traf. Nellie war höchst erfreut, als sie seine
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