Verloren in deiner Sehnsucht: Roman (German Edition)
Fragen heute Nacht nach Zee hatten ihn gezwungen, in sein Innerstes zu schauen und sich der Wahrheit zu stellen. Was Gareth jetzt empfand, war anders als alles, was er je zuvor empfunden hatte, und zudem weitaus komplexer. Das Gefühl hatte nichts von der Ungeduld, nichts von der Frustration, die er beim Zusammensein mit Zee stets gespürt hatte. Stattdessen war da nur eine tiefe und beständige Gewissheit, dass er diese Frau brauchte. Eine scheinbar zarte und zerbrechliche Frau, die, zu der Vermutung gelangte Gareth gerade, eigentlich keines von beidem war.
Er schob seinen Hut in die Armbeuge und trat näher. »Einen Penny für deine Gedanken«, sagte er ruhig.
Antonia stieß einen kleinen Schrei aus. »Oh!« Sie legte die Hand auf ihr Herz. »Gabriel. Ich war in Gedanken versunken, nicht wahr?«
Er schaute ihr über die Schulter. »Du schreibst an einen deiner frustrierten Bewunderer in London?«, fragte er.
Antonia schaute lächelnd auf. »Es ist sehr seltsam, aber alle Gauner scheinen das Feld geräumt zu haben. Ob das wohl etwas mit dem neuen Duke zu tun haben könnte, der hier eingezogen ist?«
»Ich kann mir nicht denken, warum meine Anwesenheit sie abschrecken sollte«, meinte er und nahm ihre Hand.
Aber vielleicht tat sie es ja tatsächlich, wurde ihm verspätet bewusst. Vielleicht fürchtete diese Art von Männern es, zu genau von jemandem unter die Lupe genommen zu werden, der Antonias Interessen gewahrt wissen wollte.
Sie schaute auf ihre ineinander verschränkten Hände. »Ich schreibe an meinen Vater, Gabriel«, sagte sie ruhig. »Ich teile ihm mit ... dass ich ihn besuchen werde. Ich werde tun, worum er mich gebeten hat, und nach London fahren, um die Geburt des neuen Kindes zu feiern. Und vielleicht werde ich sogar einige gesellschaftliche Anlässe mit ihm wahrnehmen, um zu sehen, wie die Leute mich empfangen. Ich weiß, dass es Gerede hinter meinem Rücken gibt, aber vielleicht wird es dann ja verstummen. Darüber hinaus mache ich Papa keine Versprechungen.«
Gareth fühlte sein Herz sinken, und der Boden unter seinen Füßen schien sich aufzutun. Plötzlich fehlten ihm die Worte. »Du hast deine Meinung also geändert«, sagte er nach einer Weile. »Wann reist du ab?«
Antonia schaute auf, und ihr Blick wurde weich, als er den seinen traf. »Ich denke, ich sollte reisen, sobald Nellie wieder gesund ist«, sagte sie. »Ich ... bin zu einer Ablenkung für dich geworden, Gabriel. Und bitte sag nicht, dass dem nicht so ist. Außerdem werde ich eine neue Garderobe brauchen. Meine Trauerzeit ist bald vorüber.«
»Ich verstehe«, sagte er ruhig.
»Ich danke dir, Gabriel«, sagte sie mit sanfter Stimme. »Du hast mir Kraft und Mut gegeben. Das Gefühl, dass ich selbst über mein Schicksal entscheiden kann. Und ich kann meinem Vater tatsächlich die Stirn bieten und vielleicht auch wieder mein eigenes Leben führen. Vielleicht muss ich mich doch nicht auf dem Lande verkriechen oder nach Bath ziehen, so als wäre ich eine altersschwache Witwe auf zittrigen Beinen.«
Noch immer hielt er seinen Hut in der Hand und kämpfte damit, ihn nicht zu zerdrücken. »Nein, du bist eine Witwe mit zwei sehr biegsamen und wunderschönen Beinen«, sagte er und zwang sich zu einem Lächeln. »Ich denke, sie werden dir gute Dienste leisten, wenn du im Walzertakt durch London tanzt und alle Herzen brichst.«
Sie sah ihn fragend an, dann verschwand der Ausdruck von ihrem Gesicht, als hätte sie ihn weggewischt. »Nun, warum hast du mich aufgesucht?«, wechselte sie fröhlich das Thema. »Werde ich irgendwo im Haus gebraucht?«
Ja, wollte er sagen. Du wirst in meinem Bett gebraucht. In meinem Herzen. In meinem Zuhause, wo auch immer das sein mag.
Mit ihrer plötzlichen Abreise hatte er nicht gerechnet. Und hatte der Plan in der Theorie noch vernünftig geklungen, so war die Realität doch etwas ganz anderes. Er wollte sie bitten zu bleiben. Wollte all seine klugen, dahingesagten Worte zurücknehmen und sich einfach ihrer Gnade überlassen.
Aber wem würde das nützen? Ihm, nur ihm allein. Eine Rückkehr in die Gesellschaft war genau das, was Antonia verdiente. Sie hatte jedes Recht, das Leben zu leben, das sie wollte, und sich nicht einfach in dem Leben einzurichten, das ihr gerade von einem Mann angeboten wurde. Und falls er und Kemble durch ein Wunder all die Gerüchte zum Verstummen bringen konnten, die sich um Warnehams Tod rankten, dann würde Antonias Weg in ihr neues Leben sogar noch glatter und schneller
Weitere Kostenlose Bücher