Verloren in deiner Sehnsucht: Roman (German Edition)
Gnaden«, sagte er.
»Aha.« Gareth legte den Gehrock ab. »Wollt Ihr mir damit nahelegen, sie mit Nachsicht zu behandeln? Nun gut. Es ist nicht meine Aufgabe, sie von ihren Gewohnheiten abzubringen. Dann also das Morgenzimmer – in achtzehn Minuten.«
»Achtzehn?«, wiederholte der Butler.
»Ja, Coggins.« Gareth warf seine Weste auf das Bett. »Zeit ist Geld – und es ist an der Zeit, dass jeder hier im Haus das begreift.«
Kapitel 4
V oller Angst presste Gabriel das Ohr an das Schlüsselloch und lauschte. Zayde schluchzte. Aber Männer durften doch nicht weinen! Zayde selbst sagte das doch – mindestens ein Mal in jeder Woche.
»Verloren, Rachel!«, weinte er. »Alles. Alles ist verloren. Oi, a shkandal! Tausend Flüche über sie!«
»Aber sie sind doch englische Gentlemen«, flüsterte Gabriels Großmutter. »Sie müssen es doch bezahlen. Sie müssen.«
»Wie denn, von Frankreich aus?« Die Stimme seines Großvaters klang verbittert. »Begreife es endlich, Rachel. Sie sind fort. Und wir ruiniert. Wir haben alles verloren, alles, sogar das Haus, fürchte ich.«
»Nein!«, keuchte seine Großmutter. »Oh, nicht mein Heim. Malachi , bitte nicht!«
»Bankrotteure wohnen nicht am Finsbury Circus, Rachel. Wir werden gut daran tun, wieder eine schmutzige hekdish in Houndsditch zu mieten.«
»Aber was ist mit Major Ventnor?«, sagte seine Großmutter. »Vielleicht kann er uns helfen?«
»Helfen? Helfen? Rachel, es gibt keine Hilfe!«
»Aber – ich werde ihm schreiben, ja?« Gabriel hörte ihre Schritte, als die Großmutter zu dem kleinen Schreibtisch aus Walnussholz ging. »Er wird uns Geld schicken.«
»Wie denn, vom Sold eines Offiziers?« Zaydes Stimme war nur noch ein tiefes Stöhnen. »Nein, Rachel. Nein. Es ist Gottes Wille. Es ist vorbei.«
Gareth stand vor der Tür des Morgenzimmers von Selsdon Court und fuhr sich mit einer Hand durch das noch feuchte Haar. In der anderen hielt er die Dokumente, die Cavendish ihm bei seinem Besuch in Wapping dagelassen hatte und von denen er die meisten noch nicht gelesen hatte. Im Grunde genommen wollte er dieses Treffen nicht. Erst zwei Tage waren seit jenem ungelegenen Besuch des Anwalts vergangen, und Gareth war es bereits jetzt leid vorzugeben, etwas zu sein, was er nicht war. Trotzdem würde er diese elendige Angelegenheit jetzt zu Ende bringen – denn solange er sie vor sich herschob, würde es keinen Schritt für ihn vorangehen. Wobei er nicht einmal wusste, wohin es denn überhaupt vorangehen sollte.
Er klopfte energisch an die Tür und trat ein.
Das Zimmer war in gedämpftes Nachmittagslicht getaucht, das durch die in Blassgold und Creme gehaltenen Möbel noch verstärkt wurde. Eine Frau – es war nicht die Duchess – stand an der Terrassentür und schaute in den Garten. Sie trug ein elegantes Kleid in dunklem Aubergine, schmale schwarze Bänder waren kunstvoll in ihr Haar geflochten, das im Licht golden schimmerte. Der schwarze Spitzenschal war ihr von den Schultern und in die Armbeugen geglitten. Gareth gewann den flüchtigen Eindruck, dass sie recht hübsch zu sein schien, aber wie konnte er das sicher sagen? Die Frau geruhte nicht, sich ihm zuzuwenden oder seine Anwesenheit in sonst einer Weise zur Kenntnis zu nehmen.
Eine majestätische Zurückweisung – nun denn. Er hatte nichts anderes erwartet. »Guten Tag«, sagte er laut und brüsk.
Die Frau fuhr herum. Ihre Augen waren vor Schreck geweitet. Hatte sie ihn vielleicht doch nicht gehört? Aber nein, das war unwahrscheinlich.
»Ich bin Warneham«, sagte er kühl, »aber wer, zum Teufel, seid Ihr?«
Die Frau knickste so tief und so anmutig, dass man glauben konnte, ihre Stirn hätte den Boden berührt. »Ich bin Antonia«, entgegnete sie und richtete sich graziös auf. »Erlaubt mir, Euch auf Selsdon Court willkommen zu heißen, Euer Gnaden.«
»Antonia?«
Sie neigte den Kopf leicht zur Seite. »Antonia, die Duchess of Warneham.«
Gareth begriff. Die Duchess. Großer Gott, was war er doch für ein Idiot! »Ihr ... Ihr wart Warnehams zweite Gattin?«
Die Frau lächelte schwach. Es war nur ein leichtes Verziehen der Lippen, das wissend und bitter zugleich wirkte. »Seine vierte«, murmelte sie. »Der verstorbene Duke war sehr entschlossen.«
»Großer Gott«, sagte Gareth. »Entschlossen, was zu tun? Sich selbst umzubringen?«
Sie wandte den Blick ab, und wieder traf ihn die Erkenntnis wie ein Blitz. Nach Cyrils Tod waren Warneham die Regeln der Erbfolge nur allzu deutlich geworden.
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