Verloren in deiner Sehnsucht: Roman (German Edition)
erinnere mich nicht genau, wie alt ich war«, murmelte er schließlich. »Acht? Wahrscheinlich eher neun.«
Antonia war verblüfft. »Acht oder neun?«
Er sah sie seltsam an. »Ja, warum?«
Antonias verstorbener Mann hatte seinen jungen Cousin als die Verkörperung des Bösen schlechthin geschildert. Antonia hatte ihn sich vorgestellt wie eine Art rücksichtslose, verheerende Zerstörung, die ein Land heimsuchte. Aber ein Junge mit neun Jahren? Der war doch noch ein Kind!
»Wie alt wart Ihr, als Ihr beschlossen habt, Selsdon zu verlassen?«, fragte sie.
Gareth sah sie erstaunt an. »Als ich es beschlossen habe?«, wiederholte er. »Ich war zwölf, als ich Selsdon verließ. Meintet Ihr das?«
»Ja, vermutlich.« Sie hatte seine Reaktion nicht verstanden. Nicht genau jedenfalls. »Darf ich fragen, Euer Gnaden – wie alt Ihr jetzt seid?«
»Ich werde in einigen Wochen dreißig«, erwiderte er, während er sie ruhig ansah.
»Himmel«, sagte sie.
Die Fältchen in seinen Augenwinkeln vertieften sich, als er lächelte. »Ich sehe ein wenig mitgenommen und älter aus, nicht wahr?«
Sie gestattete sich das Vergnügen, sein Gesicht genauer zu betrachten. »Nein, aber offen gesagt habe ich jemanden erwartet, der sehr viel älter ist«, sagte sie schließlich. »Und obwohl Ihr erst dreißig seid, scheint Ihr auf eine Art älter zu sein, die ich nicht benennen kann. Und doch – nein, Ihr seht nicht so aus.«
Wieder zuckte er mit den Schultern, als wäre es ihm egal, ob er wie dreißig oder sechzig aussah. »Und was ist Euer Alter?«, fragte er stattdessen. »Den Spieß jetzt umzudrehen, Madam, ist nur fair.«
Antonia spürte wieder die Röte in ihre Wangen schießen. »Ich bin sechsundzwanzig ... denke ich. Wenn ich ehrlich bin, habe ich aufgehört mitzuzählen.«
Er lächelte leicht, aber wenn man ihn genauer betrachtete, konnte man sehen, dass ein warmes männliches Gefühl in seinen Augen glomm; eine träge sinnliche Hitze, die sich zu verstärken schien, als er seinen Blick über sie gleiten ließ. »Ihr seid sehr schön für sechsundzwanzig«, sagte er ruhig. »Und Ihr habt die Blüte Eurer Jahre noch nicht erreicht. Ihr habt noch viele wunderbare Jahre vor Euch, Antonia. Ich hoffe um Euretwillen, dass Ihr sie nicht vergeuden werdet.«
Antonia spürte wieder ihren Atem stocken, und eine verwirrende Erinnerung drängte in ihrem Bewusstsein an die Oberfläche – seine Hände auf ihren Brüsten, der Regen, ihr nasses Nachthemd, der raue Klang seines Atems an ihrem Ohr. Sie spürte, wie Hitze sie ergriff. Die Erinnerung war sinnlich und schockierend zugleich. Sie fing seinen heißen Blick auf, und für einen kurzen Moment schien eine unausgesprochene Frage zwischen ihnen in der Luft zu hängen. Verlangen. Sie fühlte sich wie auf des Messers Schneide, als sie wartete, ob er die Frage stellen würde. Und überlegte, was sie darauf erwidern sollte.
Doch zu ihrer Enttäuschung räusperte er sich nur und erhob sich. »Nun, ich bin überzeugt, Ihr möchtet, dass man sich um diese Verletzung kümmert«, sagte er und bot ihr seine Hand. »Das Essen ist ja jetzt ohnehin beendet.«
Mit dem überraschenden Gefühl der Enttäuschung legte Antonia ihre Hand in seine viel größere, warme und stand auf. Sie hatte alles missverstanden. Falsch interpretiert. Was wusste sie überhaupt über Männer und deren Wünsche?
Sie standen sich nur Zentimeter voneinander entfernt gegenüber, und wieder nahmen sie seine Wärme und sein Duft gefangen. Beides zusammen fühlte sich so verlässlich, so sicher an, und flüchtig fragte sie sich, wie es wohl sein würde, von ihm umarmt zu werden, wenn man bei vollem Verstand war.
Der Duke jedoch schien mit seinen Gedanken woanders zu sein. »Ich werde in der nächsten Woche nach Knollwood reiten«, sagte er, und seine Stimme klang seltsam emotionslos. »Danach werde ich Euch sagen können, wann ungefähr das Haus für Euch bezugsfertig sein wird.«
Antonia trat einen Schritt zurück. »Danke.«
Der Duke durchquerte das Zimmer und hielt ihr die Tür auf. »Gute Nacht, Antonia«, sagte er. »Ich sehe Euch dann morgen.«
Kapitel 8
G abriel schaute auf die knotigen Hände seiner Großmutter, als sie die Truhe schloss und dann liebevoll über den schweren Deckel strich.« Bubbe , die Truhe sieht sehr alt aus«, sagte er, als sie aufstand.
»Alt, ja.« Sie lächelte wehmütig auf ihn herunter. »Als dein Großvater als junger Mann hierherkam, befand sich in dieser Truhe alles, was er besaß.
Weitere Kostenlose Bücher