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Verlorene Eier

Verlorene Eier

Titel: Verlorene Eier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Scarlett
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Teppich vor dem Kamin. Und wir …
    Tut mir leid. Es geht einfach nicht.
    Sosehr ich mir wünsche, dass dies ihre Worte wären, ist mir doch klar, dass Amber mittlerweile wieder in Sleepy Eye ist und ihre Begegnung mit dem traurigen, auf seine Schwester fixierten Tierarzt längst vergessen hat. Ich bin nach Eglwys Heath zurückgekehrt, zurück in das gemächliche Landleben, wie es existiert hat, bevor ich hierhergezogen bin, und noch existieren wird, wenn ich längst unter der Erde liege. So unvorstellbar es auch scheint, aber es sind gerade einmal neunzehn Tage vergangen, seit ich mich mit Gerald am Flughafen getroffen habe. Nicht lange genug, als dass die Bäume ausgeschlagen hätten oder die Kälber zum … Sie wissen schon … gebracht worden wären. Und dennoch habe ich mich von Grund auf verändert, während das Gras gerade mal um ein paar Zentimeter gewachsen ist.
    Als ich heute Morgen mit meinem Kaffeebecher in der Hand am Zaun stehe, der mich von der Weide und den Jungs, wie ich sie mittlerweile nenne, trennt, trotten sie wie gewohnt herbei, versammeln sich schnaufend vor mir und klimpern mit ihren Mädchenwimpern. Sie sind daran gewöhnt, dass ich ihnen laut vorlese, und ihre Geduld, mit der sie im Halbkreis dastehen und warten, dass etwas passiert, rührt mich.
    »Tja, Jungs, heute gibt’s leider nichts«, sage ich zu ihnen. »Tut mir leid.«
    Wie sollte ich den Viechern erklären, dass ich scheinbar nicht in der Lage bin, einen Anfang für den Roman zu finden, den die Verleger von mir erwarten? Dass ich, drastisch formuliert, unter einer ausgewachsenen Schreibblockade leide?
    Blockiert ist nicht die richtige Bezeichnung dafür. Blockiert bedeutet, dass das Material im Kopf (Worte oder, in diesem Fall, Ideen) vorhanden ist und wieder ungehindert fließen kann, sobald die Blockade beseitigt ist. Ich hingegen fühle mich vollkommen leer und ausgelaugt. Wenn ich im Geiste auf den mit dem Etikett »Kreative Energie« versehenen Ordner klicke, ploppt das kleine Feld auf dem Bildschirm auf und verkündet: »Ordner leer«.
    Das ist mir noch nie passiert.
    Als ich den echten Ordner mit Notizen und Ideen für künftige Projekte zu Rate zog – der in Wahrheit ein alter Schuhkarton voller Schmierzettel ist –, kamen sie mir wie die Kritzeleien eines Schwachsinnigen vor. Welche Bedeutung könnte wohl in »Als sie in diesem Jahr das Flusswasser abließen, stand C. am Ufer und wartete darauf, dass ihr altes Dreirad aus Kindertagen zum Vorschein kam« stecken? Oder »Sie war die Frau, die jeden Tag vorbeikam, um die Seelöwen und die exotischen Vögel zu beobachten«.
    Und mein ganz besonderer Lieblingssatz ist dieser hier: »Sie verliebte sich auf Anhieb in seine Zähne.«
    In meiner Verzweiflung habe ich sogar mit dem Gedanken gespielt, den neuen Herrn von Hardings Hall, Edgar Wellington Dupree, ums Leben kommen (von der letzten V2-Rakete des Krieges getroffen) und Camilla Trebolter in einem im Nachkriegs-England angesiedelten Fortsetzungsroman eine neue Liebe finden zu lassen.
    Ich wende mich wieder den Kälbern zu. »Camilla Dupree, seit einem Jahr verwitwet und neue Herrin von Hardings Hall, sitzt inmitten von Kohlköpfen und Erbsenschoten … ich meine, das geht doch nicht!«
    Die Hornträger fahren zusammen, als ich meine Stimme erhebe, rühren sich allerdings nicht vom Fleck. Wahrscheinlich denken sie: Der Kerl ist zwar ein Irrer, aber er ist nun mal unser Irrer.
    2
    Einen kleinen Lichtblick stellt zumindest Geralds Anruf dar, der mir erzählt, das Yergel-Geld hätte den Weg über den großen Teich gefunden und sei, abzüglich seines Honorars plus Mehrwertsteuer, bereits auf mein Konto bei der Bank in Oswestry überwiesen worden.
    »Ich kriege keine einzige Zeile aufs Papier, Gerald«, jammere ich.
    »Ach, mach dir keine Gedanken«, beruhigt er mich. »Irgendwann wird die Muse schon zurückkehren. Bis dahin entspann dich. Und wirf mal einen Blick auf deine Finanzen.«
    Ich bin nicht sicher, ob er mit der Muse richtigliegt. Etwas ist mit mir passiert. Es ist, als hätten sich meine internen tektonischen Platten verschoben. Und Sie ahnen wahrscheinlich, wer schuld daran ist.
    Trotzdem nehme ich seinen Rat an. In meinen schäbigsten Klamotten steige ich auf mein Fahrrad und strample ins Dorf.
    Hatte ich erwartet, dass mich der Filialleiter wie Donald Trump empfängt? Mich auf eine Tasse Kaffee und ein paar Kekse in sein Büro einlädt und ein Mann-zu-Mann-Gespräch über Aktien- und Investmentmärkte mit

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