Verlorene Eier
lange verdrängtem Schmerz kündete). Natürlich verdüsterten auch ihren Liebeshorizont dunkle Wolken. Ihr Vater war nicht mit der Verbindung einverstanden; Bill wurde in den Krieg geschickt, und ein schmieriger Mistkerl namens Matt … Verzeihung, Matthew stand mit heraushängender Zunge auf der Matte. Und damit nicht genug – Piraterie, eine Epidemie, eine dramatische Denunzierung vor dem Altar und ein Duell. Ich glaube, es kam sogar zu einer Sonnenfinsternis, bevor das Liebespaar endlich alle Hindernisse (manche davon selbst inszeniert, andere vom Schicksal in den Weg gestellt) überwand und sich hemmungslos (wenn auch verbal hübsch verbrämt) in Captain Bills Kajüte seiner Leidenschaft hingab.
Vier Wochen und zweihundertfünfzig Seiten später setzte ich mich an den Laptop, ersetzte Bill Greefe durch Jack Dashwood (und Claire Robinson wurde zu Carla Maltravers) und druckte das Konvolut aus. Dann fuhr ich in die Stadtbibliothek von Oswestry und durchforstete das Jahrbuch der Autoren und Künstler nach einem Literaturagenten, von dem ich hoffte, er unterziehe mein Meisterwerk einer wohlwollenden Prüfung. Gerald Douglas kam in die engere Wahl. Seine Agentur war nicht allzu groß (wie klein, wusste ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht), und romantische Literatur stand auf der Liste der Genres, die er vertrat. Außerdem gefiel mir, dass sich sein Büro in Adam and Eve Mews befand. Ein gutes Omen, fand ich. Ich schrieb Namen und Adresse auf den Umschlag, warf ihn in den nächsten Briefkasten und wartete.
Nach nicht einmal einer Woche hatte ich ihn an der Strippe. Er meinte, mein Manuskript hätte ihn zutiefst beeindruckt. Die Geschichte sei grandios, allerdings hätte ich einen typischen Anfängerfehler begangen. Romantische Literatur wurde vorwiegend von Frauen gelesen, deshalb müsste Carla die Protagonistin sein, nicht Jack, und folglich müsste ich die Geschichte von ihrem erzählerischen Blickpunkt aus aufbauen. Oh, und meinem Titel – Er liebte sie von ganzem Herzen – fehle es ein wenig am notwendigen »Biss«, meinte er weiter und schlug Ein Kapitän für Carla als Alternative vor. Ob ich bereit sei, das Ganze noch einmal gründlich zu überarbeiten?
Wie es aussah, hatte ich gerade nichts Besseres vor.
Ich schrieb sehr schnell und ging völlig in meiner Arbeit auf. Es stellte sich heraus, dass es nicht weiter schwierig war, Carla in eine offene, freundliche Heldin zu verwandeln, während Jack zum übellaunigen Tropf mit der tragischen Vergangenheit wurde. In vielerlei Hinsicht funktionierte der Plot auf diese Weise sogar viel besser. Viel wichtiger war das Psychodrama, das sich darunter verbarg:
1.)Angenehmes Wesen verliebt sich in schwierigen Zeitgenossen.
2.)Schwieriger Zeitgenosse fühlt sich enorm zu seinem Gegenüber hingezogen, allerdings
3.)gibt es viele, viele Probleme, die bewältigt scheinen, aber dann
4.)tauchen noch mehr Probleme auf. Dieser Prozess wiederholt sich wieder und wieder, wobei die Probleme immer größer werden.
5.)Irgendwann nehmen sie so überhand, dass der Leser zwangsläufig denkt: Tja, jetzt haben sie es endgültig an die Wand gefahren. Aber am Ende
6.)siegt die Liebe. Und all die Probleme schmelzen dahin wie der letzte Schnee im April.
Ich schickte die überarbeitete Version an Gerald Douglas, der prompt innerhalb weniger Tage anrief. Wir verabredeten uns in einem kleinen Restaurant in Soho.
»Das sieht alles sehr gut aus, Bill«, erklärte er. »Die Geschichte ist nett, mit vielen Wendungen und so. Außerdem gelingt es Ihnen sehr gut, aus der weiblichen Perspektive zu schreiben. Man könnte glatt glauben, Sie …« Er hielt inne und unterbrach sich. »Aber das Ganze hat einen Haken.« Er wedelte mit einem Grissini, um seinen Worten Nachdruck zu verleihen. »Sie müssen eine Frau sein. Das ist wichtig, um bei den Verlegern einen Fuß in die Tür zu bekommen. Was sagen Sie dazu?«
»Wenn es hilft, ihnen das Buch zu verkaufen, spiele ich notfalls auch eine Giraffe, Gerald.«
Er lächelte. »Ich hatte gehofft, dass Sie das sagen, Bill.«
Wir bestellten eine Flasche Chianti und machten uns auf die Suche nach einem geeigneten Namen für mich. Mir gefiel Paige Turner sehr gut, während er sich eindeutig für Clarissa May Dupree erwärmte. Am Ende einigten wir uns auf Angela Huxtable, eine Mischung aus den Namen zweier Exfreundinnen von ihm. Gerald fand, der Name klinge herrlich englisch. Außerdem ähnle er vom Sprachrhythmus her Agatha Christie. Bei Spaghetti
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