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Verlorene Eier

Verlorene Eier

Titel: Verlorene Eier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Scarlett
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gehen« frei, meine Sachen zu packen. Unter diesen Umständen fiel das Abfindungspaket – ein ganzes Monatsgehalt – geradezu üppig aus.
    Vielleicht verstehen Sie jetzt, dass ich mir an meinem letzten Tag als Mitarbeiter des Käseblatts nach einigen Abschiedsdrinks im Lieblingspub der Redaktionskollegen auf dem Heimweg eine Flasche Wodka und ein Päckchen Marlboro kaufte. Vielleicht war mein größter Fehler, Bob Dylans Blood on the Tracks einzulegen. Als ich nach der halben Zigarettenschachtel und dem Großteil des Wodkas auf dem Boden aufwachte, war das Feuer im Kamin längst heruntergebrannt. Auf dem einsamen Weg ins Bett blieb ich einen Moment lang auf dem Treppenabsatz stehen und holte in einem spontanen Anfall von Wut und Selbstmitleid zum heftigsten Schlag meines gesamten Lebens aus.
    Aber von alldem erzählte ich Schwester Caerwen Griffiths natürlich nichts.
    »So, bitte schön, Herzchen.« Sie hatte meinen Knöchel wieder zusammengeflickt und musterte mich scharf, als versuche sie zu einem Entschluss zu gelangen, ob ich mental stabil genug war, wieder auf die Menschheit losgelassen zu werden.
    »Vielen Dank«, murmelte ich.
    »Sie wohnen hier in der Nähe, ja?«
    Ich nannte den Namen der nächstgelegenen Häuseransammlung meines Anwesens, die sie kennen könnte: Eglwys Heath.
    »Dann kennen Sie bestimmt das Wobbly.«
    Ich bestätigte, dass ich ein oder zwei Mal dort gewesen sei.
    »Ich gehe immer ins Cross Keys in Oswestry. Echt nette Truppe dort.« Sie hielt inne. »Und? Wollen Sie nicht endlich mit der Sprache rausrücken? Woher haben Sie diese Verletzung …«
    »Ziemlich lange Geschichte.«
    »Sie haben mit der Faust auf die Wand eingeschlagen, stimmt’s?«
    Ich war sprachlos.
    »Ziegel oder Rigips? Ich tippe auf Rigips.«
    Ich konnte nur schlucken und nicken.
    »So was sehen wir hier häufiger. Entweder ist es die Wand oder die Ehefrau, habe ich recht?«
    »Meine Frau ist nicht mehr da. Sie hat mich verlassen«, hörte ich mich zu meiner Verwunderung sagen.
    Caerwen nickte nachdenklich. »Hier …« Sie kritzelte ein paar Zahlen auf ein Blatt Papier. »Sollten Sie jemals Lust auf einen spitzenmäßigen Kneipenabend haben. Wie gesagt, die Leute im Cross Keys sind recht sympathisch.« Es war eine Handynummer.
    »Das ist … äh … sehr nett von Ihnen.«
    »Gehört alles zum Service des Hauses, Herzchen.« Auf ihren Zügen breitete sich ein Lächeln aus, das bis zur Menai-Brücke reichte. Wo auch immer das Ding stehen mag.
    12
    Der April sei der schlimmste Monat des ganzen Jahres, meinte T.S. Eliot. Was für ein Blödmann. Wäre er jemals im Februar durch Eglwys Heath in die North Shropshire Plain gefahren, hätte er diese idiotische Aussage garantiert sofort revidiert. Tief hängende Wolken lagen schwer auf allem, was einst grün gewesen war – Hecken, Bäume und Gott weiß, was sonst noch alles –, und tauchten es in alle erdenklichen Schattierungen von Grau. Der Regen und der ums Haus pfeifende Wind spiegelten die klimatischen Bedingungen in meinem Herzen wider. Ich hatte es geschafft, meine Frau zu vergraulen, meine Karriere in den Wind zu schießen, im gottverlassensten Winkel Englands zu landen, ohne Freunde oder die Aussicht auf eine Einnahmequelle, wenn mein rasch schwindender Abfindungsscheck erst einmal aufgebraucht war. Während ich darüber nachgrübelte, wie ich aus diesem Schlamassel wieder herauskommen sollte, verschlug es mich regelmäßig in den lokalen Spar-Markt. Auf die erste Flasche Wodka folgten noch mehrere andere, zum Glück jedoch ohne dieselben dramatischen Folgen. Mein einziger Trost war der hübsche Kamin, vor dem ich hockte und in die knisternden Flammen starrte, während Bob Dylan, Leonard Cohen und diverse andere heitere Sangesgenossen ihre Künste zum Besten gaben. Vielleicht war es die Aussicht auf weitere derartige Abende, die mich einige Wochen nach meinem Ausflug in die städtische Notaufnahme bewog, zum Hörer zu greifen und die Nummer auf dem Zettel in meiner Brieftasche zu wählen.
    Ein paar Stunden später saß ich mit Caerwen Griffiths im Cross Keys in Oswestry und bemühte mich nach Kräften, die jämmerliche Ansammlung von Suffköpfen und sonstigem Gesocks mit dem in Einklang zu bringen, was sie als »tolle Truppe« angepriesen hatte. Überflüssig zu erwähnen, dass ihr vollmundiges Versprechen auf einen »spitzenmäßigen Kneipenabend« in weite Ferne gerückt war. Doch als ein warmes Wem Bitter nach dem anderen meine Kehle hinunterfloss, schien

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