Verlorene Eier
Zeichens Präsident und CEO , der große Obermacker des Verlags, der eine Million hübscher Roulettechips aus der Firmenkasse genommen und alle auf Angela Huxtable gesetzt hat.
Wir folgen Nora durch ein riesiges Büro, vorbei an zahllosen Mitarbeitern in durch dünne Pappwände getrennten Kabuffs, die an Kälberverschläge erinnern. Schließlich steuern wir auf ein mit Glaswänden versehenes Eckbüro mit einem ausladenden Schreibtisch zu, hinter dem ein Mann in einem blauen Anzug sitzt. Ich stelle mir vor, dass meine Verkleidung mich wie ein Schutzwall umgibt – langes Haar, das mein Gesicht verbirgt, die kastenförmige Jacke und der formlose Rock, in denen die Umrisse meines Körpers nicht auszumachen sind. Meine Handtasche baumelt über meinem Arm und schlägt rhythmisch gegen meine Hüfte. Ich spüre die Perücke, die sich an meiner Kopfhaut festgesogen hat, und höre das leise Klirren meines Armbands. Vage nehme ich Gerald in seinem cremefarbenen Anzug neben mir wahr, richte jedoch meine ganze Konzentration auf meine Füße in den hohen Stiefeln, die sich über den potthässlichen Büroteppichboden bewegen, während ich immer schön einen Fuß vor den anderen platziere, wie man es von einer Frau erwarten würde.
Und dann, ohne jede Vorwarnung, ist es, als würde ich von den Deckenlampen auf mich herabsehen – nein, aus noch größerer Entfernung, von ganz weit oben im Himmel oder so – und zusehen, wie ich Gerald und Nora durch einen Korridor in einem Verlagsgebäude in Manhattan folge – dem Untergang entgegen. Oder dem Triumph. Wer weiß? Wahrscheinlich hat diese Episode nur wenige Sekunden gedauert, so wie wenn man auf der Autobahn fährt und plötzlich feststellt, dass man die letzte halbe Meile gar nicht mitbekommen hat, hinterm Steuer zu sitzen.
Schlagartig melden sich meine Nerven zurück. Und diesmal mit voller Wucht. Meine Oberlippe fühlt sich klatschnass an. Schweißperlen haben sich darauf gebildet. Jetzt ist er also da, der große Moment, und wie immer, wenn eine Krise naht, fühlt sich mein Kopf schlagartig vollkommen leer an. Ich wünschte, ich könnte behaupten, die Leere hätte etwas Zen-Artiges an sich, eine angenehme, beruhigende Stille. Stattdessen fühlt es sich eher wie ein ohrenbetäubendes weißes Nichts an. Ich höre noch nicht einmal eine leise Stimme, sondern nur eine Art zischende Leere. Gerald wählt genau diesen Augenblick, um sich zu mir herüberzubeugen.
»Versuch bitte, es nicht komplett zu versauen, ja?«, wispert er mir zu.
Nicht gerade eine Ansage im Stile Heinrich V. vor der Schlacht von Azincourt. Trotzdem hat die unverbrämte Hoffnungslosigkeit seiner inspirierenden Worte etwas seltsam Aufmunterndes.
Der Mann hinter dem Schreibtisch steht auf, zaubert ein Lächeln, das irgendwo zwischen mittel bis strahlend liegt, auf seine Züge und kommt auf mich zu. Er breitet die Arme aus, und für den Bruchteil einer Sekunde flackert Panik in mir auf, dass er versuchen könnte, mich zu küssen.
»Angela Huxtable … Ich freue mich ja so, Sie endlich kennenzulernen.« Er hält meine Hand eine gefühlte Ewigkeit mit beiden Händen umfasst und blickt mir bedeutungsvoll in die Augen.
Keith und ich hatten diesen Moment mehrfach diskutiert. Es ist völlig egal, was du sagst oder tust, solange du nur feminin dabei bleibst . Ich kann kaum atmen, geschweige denn sprechen. Mir dämmert, dass wir hier bis zum Sankt Nimmerleinstag stehen werden, wenn ich nicht bald etwas sage. Einen Moment lang überlege ich, ihm ein Kompliment zu seinem Anzug zu machen (Frauen haben bekanntermaßen einen Blick für Äußerlichkeiten), entscheide mich jedoch für etwas Knappes:
»Ich bin entzückt.«
Aber mein Mund fühlt sich so unbeweglich an, und meine Zunge scheint förmlich am Gaumen festzukleben, so dass es eher klingt, als würde jemand eine Bierdose aufreißen. Hntzck .
Nora tritt den Rückzug an, während Spavik Gerald und mich zu einer gemütlichen Sitzecke führt. Ich streiche meinen Rock glatt, ehe ich mich in bester Prinzessin-Diana-Manier in einen der Sessel sinken lasse. Mein Knie gibt sein gewohntes Knacken von sich, das Gerald zu einem verschwörerischen Zwinkern veranlasst, bevor er neben dem Verleger Platz nimmt. Absurderweise habe ich plötzlich keinerlei Zweifel mehr am Erfolg unserer Mission. Wenn du nicht mehr weißt, wie du weitermachen sollst, überleg dir, was Kiki tun würde. Noch einer von Keiths hilfreichen Ratschlägen. Ich falte die Hände im Schoß, setze ein
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