Verlorene Eier
auch. Wie der Mehrzahl der Autoren ist es mir völlig gleichgültig, wo meine Bücher verkauft werden, solange sie nur verkauft werden.
Verliere ich den Faden? Ja. Offenbar. Mein Gehirn kann nur ein bestimmtes Maß an Marketing und Verkaufsdetails verarbeiten, bevor es die weiße Flagge schwingt. Hätte Spavik die Aufgabe gehabt, diese neuartigen Stuhlproben an den Mann zu bringen, hätten sie einen Siegeszug um die Welt angetreten, daran besteht kein Zweifel.
Während Spavik weiterschwadroniert, diesmal über Warenhausabsätze und die Sortimentsdistribution – ein Thema, das ihn ganz besonders in Verzückung zu versetzen scheint –, keimt der Verdacht in mir auf, dass Keith mit seiner Bankraub-Metapher komplett danebenliegt: Dieser Typ versucht allen Ernstes, bei mir Eindruck zu schinden. Gerald und ich brauchen ihnen die Million gar nicht abzuluchsen, sondern sie zwingen uns förmlich, sie zu nehmen. So dass wir am Ende nichts anderes zu tun brauchen, als »Herzlichen Dank, wie unglaublich großzügig von Ihnen!« zu sagen.
Die Herren sind aufgestanden und schütteln einander die Hände. Zeit, die Belegschaft kennenzulernen.
Inmitten der Kälberverschläge ist eine Art offener Raum geschaffen worden. Rund zwei Dutzend Mitarbeiter schlendern gemächlich herbei; allesamt freundliche Leute, denen, ähnlich wie bei ihren britischen Kollegen, keiner ansieht, womit sie ihren Lebensunterhalt verdienen. Ein Champagnerkorken knallt, Gläser werden eingeschenkt, dann hält Spavik eine kurze Ansprache und stellt mich der »vordersten Front der Yergel-Familie« vor. Ich blicke ausnahmslos in wohlwollende Gesichter; kein Einziger starrt mich mit offenem Mund an und zeigt fassungslos mit dem Finger auf den offenkundigen Betrüger. Die Ansprache wird mit höflichem Applaus quittiert. In diesem Augenblick rutscht mir das Herz in die Hose – mir dämmert, dass ich ein paar Worte sagen muss.
Ich spüre einen Finger, der sich in meinen Rücken bohrt. Geralds Finger. Hoffe ich zumindest.
»Guten Morgen. Ich danke Ihnen sehr, dass Sie so zahlreich erschienen sind«, beginne ich wie ein Mitglied der unteren Reihen der Königsfamilie bei der Eröffnung einer Gartenschau. Kichern erhebt sich. Die Leute glauben, das sei ironisch gemeint. »Ich fürchte, ich war nicht auf eine Rede vorbereitet. Ich möchte nur sagen … wie entzückt ich darüber bin, dass Sie meine Romane mögen. Danke, dass Sie die Rechte an meinen Büchern gekauft haben, und ich hoffe, ich werde Ihren Erwartungen gerecht. Und könnte ich jetzt bitte etwas zu trinken haben?«
Gelächter und freundlicher Applaus. Gerald drückt mir ein Glas Sprudelbrause in die Hand und formt lautlos »Gut gemacht!« mit den Lippen. Ich bemerke, dass seine Hand zittert.
Die nächste halbe Stunde vergeht in einer Aneinanderreihung von Begrüßungen irgendwelcher Leute, die in irgendeiner Form zur Verbreitung meiner Meisterwerke beitragen werden – durch die Umschlaggestaltung, den Vertrieb, die Erstellung von Marketingstrategien, die Überwachung des Verkaufs, den Kauf von Papier, Lektorat und Redaktion und allerlei andere ominöse Dinge, die erledigt werden müssen, bevor sich ein Stück Prosa in dem Zustand befindet, in dem es der wunderbaren Welt der Buchkäufer präsentiert werden kann.
(Das meine ich nur im Scherz.)
All diese Leute scheinen mich als das zu akzeptieren, was ich zu sein vorgebe: eine schüchterne, auffallend seltsam aussehende britische Schnulzenautorin mittleren Alters, wofür ich ihnen unendlich dankbar bin.
Als sich die Jungs und Mädels wieder in ihre Verschläge zurückziehen, stellt Spavik mich einer attraktiven jungen Dunkelhaarigen im Hosenanzug vor, die mir erklärt, sie sei für die Koordination meiner Lesereise zuständig.
»Georgina Steinitz«, sagt sie und schüttelt mir die Hand. »Ich bin die Leiterin der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit.«
»Sie sind schrecklich jung für eine Führungskraft, meine Liebe«, platze ich unvermittelt heraus. In ihren Augen funkelt ironische Belustigung, und ein Lächeln breitet sich auf ihren Zügen aus.
»Ach, das hat nichts zu bedeuten. Wir sind alle Führungskräfte hier, Miss Huxtable.«
»Bitte nennen Sie mich doch Angela.«
»Und Sie müssen mich George nennen.«
Während Spavik und Gerald sich verabschieden, um noch »einige Details zu klären«, lädt George mich in ihr Büro ein, um die Lesereise in Ruhe durchzusprechen. Wie Spaviks Arbeitszimmer bietet auch ihres einen Blick über den
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