Verlorene Eier
Frage beantworte, möchte ich Ihnen von Herzen dafür danken, dass Sie mich heute Abend in Ihre wunderbare Buchhandlung eingeladen haben. Ich wünsche Ihnen und Ihrem Laden alles Gute. Möge er noch lange wachsen und gedeihen.« Mehr Applaus. »Und Ihnen allen danke ich für Ihr zahlreiches Erscheinen, trotz dieses …« Sag jetzt bloß nicht »beschissenen Wetters«. »… überaus ungemütlichen Abends. Wie ich meine Recherchen betreibe? Nun ja, ich habe vor kurzem etwas namens Internet für mich entdeckt.« Höfliches Kichern. »Mein Neffe Stephen …« Wie bin ich nur darauf gekommen? »… ist ein echtes Computergenie und sagte zu mir: ›Tantchen Angela, es wird Zeit, dass auch du den Sprung ins neue Jahrtausend schaffst.‹ Also hat er mich ›vernetzt‹, wie er es bezeichnet. Und es ist wirklich unglaublich, was man mit wenigen Klicks mit dieser Maus so alles findet, obwohl ich nach wie vor gern in die Leihbibliothek gehe. Die Leute dort sind so nett und hilfsbereit …«
Ich klinge wie ein Urgestein, eine etwas schrullige Freundin von Miss Marple, doch das Ganze läuft hervorragend. Die Frauen stellen mir weitere Fragen über die Handlungsdetails früherer Bücher. Diese Mädels kennen sich mit meiner Arbeit besser aus als ich selbst und wollen wissen, wieso meine Bücher so oft in Küstenorten spielen (tosende Brandung, die donnernd gegen die Felsen schlägt – mehr sage ich nicht dazu), wieso die Mehrzahl der männlichen Protagonisten mürrische Miesepeter sind (dies ist kein Zitat, sondern meine eigene Umschreibung) und die Namen meiner Heldinnen allesamt mit C beginnen – Catherine, Caroline, Clarissa, Cassiopeia, Clovis, Chloe und Cornelia, nur um einige zu nennen.
»Ich habe nicht die leiseste Ahnung, meine Liebe«, antworte ich (nicht wahrheitsgetreu) auf letztere Frage. »Offen gestanden fällt es mir sogar erst jetzt auf, wo Sie es sagen. Was für ein seltsamer Zufall.«
Niemand will etwas über meine Pferde, Hunde und Bienen wissen, und wenig später mache ich mich bereit, meinen Namen in die Bücher zu schreiben und jedem auszuhändigen, der bereit ist, Geld dafür auf den Tisch zu legen. Eine beeindruckende Schlange hat sich gebildet – es sind an die fünfzehn Besucherinnen. Angelas Fans, meine Leserinnen, für die ich auf einmal eine lächerliche Zuneigung empfinde.
»Ich danke Ihnen von Herzen, dass Sie gekommen sind«, wende ich mich an die erste Leserin, eine kleine, teiggesichtige Frau unbestimmbaren Alters, die mir ihre Ausgabe von Traum der Liebe hinschiebt. »Für wen soll ich es signieren, meine Liebe?«
»Könnten Sie Für Cora reinschreiben?«
Mit rotem Filzstift schreibe ich Für Cora. Mit den allerbesten Wünschen. Angela Huxtable. New York City. Ich setze das Datum darunter und widerstehe dem Drang, ein Herz daneben zu malen, schließlich will ich es nicht zu weit treiben.
Die Mädels zeigen sich nicht allzu redselig, sondern wollen in erster Linie ihr Buch signiert haben und wieder gehen.
»Woher kommen Sie, Betty?«, frage ich eine der Leserinnen, worauf sie mir einen Bezirk nennt, von dem ich noch nie gehört habe. »Dort ist es bestimmt schön zu leben, meine Liebe.«
»Wenn ich ehrlich sein soll, ist es die letzte Drecksgegend.«
Ich breche in unüberhörbar maskulines Wiehern aus. Zum Glück trage ich so viel Make-up, dass wohl keiner mitbekommen hat, wie mir vor Schreck das Blut ins Gesicht geschossen ist.
Zuletzt ist die Mutter mit ihrem Sohn an der Reihe. Sie hat einen ganzen Stapel meiner früheren Bücher mitgebracht. Als sie sich vor mir an den Tisch setzt, hebe ich den Kopf und spüre, wie sich eine Falltür in meinem Innern öffnet.
Das lächelnde Gesicht vor mir ist auffallend hübsch. Große, weit auseinanderstehende Augen in der Farbe von Orangenmarmelade, Porzellanteint und dichtes kastanienbraunes Haar, das ihr zartes, ebenmäßiges Gesicht umrahmt. Sie trägt eine Jeansjacke, eine Puma-Sonnenbrille (draußen gießt es in Strömen), einen Elfenbeinring am Daumen und einen kurzen weißen Rock. Ihre Beine, die sie unter dem Tisch ausgestreckt hat, sind lang und wohlgeformt. Doch in ihrem Augenwinkel bildet sich eine Träne, die langsam über ihren herrlich ausgeprägten Wangenknochen kullert und sich einen feuchten Weg bis zu ihrem zarten Kieferknochen bahnt. Dort verharrt sie für den Bruchteil einer Sekunde, als müsse sie kurz überlegen, bevor sie zum letzten Sprung ansetzt, ehe sie auf die mit grünem Filz bespannte Tischplatte fällt, wo
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