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Verlorene Eier

Verlorene Eier

Titel: Verlorene Eier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Scarlett
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sie einen kleinen feuchten Fleck hinterlässt.
    »Ist alles in Ordnung, meine Liebe?«
    Die junge Frau gibt ein herzhaftes Schniefen von sich – offen gestanden, ein sehr herzhaftes – und nickt heftig. Das Lächeln spielt noch immer um ihren Mund, aber es wirkt ein wenig zittrig.
    »Ich leide unter einem Defekt der Tränendrüse und sehe oft aus, als würde ich weinen … obwohl ich in Wahrheit glücklich bin und so.«
    Sie hat eine sexy Reibeisenstimme; die Art, der man stundenlang lauschen könnte, ohne ihrer überdrüssig zu werden. Ich sehe den Jungen an – er ist ein kleiner übellauniger Bursche von sieben oder acht Jahren mit rotem Haar und zahllosen Sommersprossen, der dreinsieht, als hätte er keinen größeren Wunsch, als möglichst schnell von hier zu verschwinden. Er schlägt die Kinder-Ausgabe von Der Herr der Ringe auf und beginnt zu lesen.
    Ich deute auf den Stapel zerlesener Angela-Huxtable-Bücher, den sie mitgebracht hat.
    »Sie müssen ja ein ziemlicher Fan sein.«
    Sie nickt. Und schnieft. Eine weitere Träne tritt die Reise gen Süden an. Ich muss mich beherrschen, nicht den Finger auszustrecken und das Salz zu kosten.
    »Könnten Sie die alle signieren?«, fragt sie.
    »Aber natürlich. Mit Vergnügen. Für Sie, meine Liebe?«
    »Für mich. Amber.«
    »Amber. Was für ein reizender Name. Und das hier ist …«
    »Ich bin der Sohn«, sagt der Sohn, ohne aufzusehen.
    »Das ist Arthur«, erklärt Amber und zerzaust ihm das Haar auf eine Weise, die mich an meine eigene Kindheit zurückdenken lässt.
    Nun bedenkt er mich mit einem Blick, den ich nur als bemerkenswert ausdruckslos-kühl für einen so kleinen Burschen bezeichnen kann und der mir so durch Mark und Bein geht, dass ich eilig nach meinem Filzstift greife und mich an die Arbeit mache. Hatte Keith nicht etwas darüber gesagt, dass Kinder die Maskerade immer sofort durchschauen?
    »Du meine Güte, das hier sieht aus, als hätte es schon die eine oder andere Runde gedreht.« Der Ausdruck »zerlesen« wäre die blanke Untertreibung. Das verbotene Erbe der Claudia Greevey scheint gleich in seine Bestandteile zu zerfallen.
    »Ich habe es fünfmal gelesen«, gesteht Amber. »Es ist mein absolutes Lieblingsbuch.«
    »Herrje«, sage ich, »ich bin ja nicht sicher, ob es so gut ist.«
    Auch wenn Schriftsteller eigentlich dafür bekannt sind, dass sie ihre Werke zahllose Male überarbeiten, daran herumfeilen, korrigieren und Ungereimtheiten beseitigen und Gott weiß was sonst noch damit anstellen, bezweifle ich, dass selbst ich es fünfmal geschafft habe, mir dieses Buch zu Gemüte zu führen.
    Für Amber. Mit den allerbesten Wünschen von Angela Huxtable. New York City . Ich schreibe das Datum darunter und ertappe mich dabei, dass ich ein Herz daneben pinsle.
    Der nächste Titel – Schicksalstage  – ist nicht minder zerlesen. Worum ging es dabei noch mal? Abgesehen vom Namen des Helden John Debenham – so hieß mein alter Chemielehrer – erinnere ich mich an so gut wie überhaupt nichts mehr. Ich bin keineswegs zynisch, was meine Romane angeht, zumindest nicht solange ich daran arbeite. Will man seinen Charakteren echte Glaubhaftigkeit verleihen, kann man die Intensität ihrer Gefühle nicht vorgaukeln. Insofern lege ich durchaus ein gewisses Maß an professionellem Stolz auf die handwerkliche Kunst des Schreibens an den Tag. Und natürlich sind meine Bücher darauf ausgelegt, gelesen zu werden, aber ganz bestimmt nicht wieder und wieder. Und mit einer Leserin, die sie als würdig erachtet, sie ein zweites Mal zu lesen – ganz zu schweigen von fünf Malen –, kann etwas nicht ganz stimmen.
    Andererseits besitzt diese Amber eine geradezu magische Anziehungskraft und würde mich völlig in ihren Bann schlagen, wenn sie nicht
    1.)so blutjung,
    2.)viel zu attraktiv für mich,
    3.)die Mutter eines Kindes von einem anderen Mann wäre,
    3.)nicht so seltsam weinen und
    4.)ich nicht mit einem BH voller Hühnerfilets durch die Gegend laufen würde.
    Das nächste Buch versehe ich mit den »allerherzlichsten Wünschen«, ehe ich mich dafür entscheide, Das Geheimnis des Lieutenants mit einem lässigen »Alles Liebe, Angela H.« zu schmücken, um mich nicht ständig zu wiederholen. Zum Schluss legt sie mir das letzte Buch vor, Flüstern des Herzens , das ich mit einem barocken »Für immer, Angela« würze. Ich mache sie darauf aufmerksam, dass sie offenbar keine Ausgabe meines jüngsten Werks besitzt.
    »Erwischt«, ruft sie.
    »Egal.« Ich

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