Verlorene Illusionen (German Edition)
vollem Herzen hierher, um euch allen zu danken«, begann Lucien. »Ihr habt meine schlechte Legierung in Dukatengold verwandelt.«
»Dank! Wofür hältst du uns?« erwiderte Blanchon.
»Die Sache hat uns Vergnügen gemacht«, fügte Fulgence hinzu.
»Und nun sind Sie also Journalist geworden?« sagte Léon Giraud zu ihm. »Die Kunde von Ihrem Debüt ist schon bis ins Quartier Latin gedrungen.«
»Ich bin es noch nicht«, antwortete Lucien.
»Ich habe es euch ja gesagt,« rief d'Arthez, »Lucien gehört zu den Herzen, die den Preis eines reinen Gewissens kennen. Ist es nicht eine stärkende Wegzehrung, wenn man abends seinen Kopf aufs Kissen legen und sich sagen kann: Ich habe nicht über die Taten anderer gerichtet, ich habe niemandem Leid zugefügt; mein Witz hat nicht wie ein Dolch die Seele eines Unschuldigen zerstochen; meine Spaße haben kein Glück zerstört, haben nicht einmal das Philisterbehagen aufgeschreckt, haben den Genius nicht ungerecht verfolgt; ich habe die billigen Triumphe des Spottes verschmäht; kurz, ich habe nie meine Überzeugungen verleugnet?«
»Aber«, sagte Lucien, »ich glaube, man kann so sein und trotzdem für eine Zeitung arbeiten. Wenn ich schließlich kein weiteres Mittel hätte, meine Existenz zu finden, müßte ich schon Journalist werden.«
»Oh! oh! oh!« rief Fulgence und stieg bei jedem dieser Ausrufe einen Ton höher, »wir ergeben uns!«
»Er wird Journalist werden«, sagte Léon Giraud bekümmert. – »Ach, Lucien! wenn du es mit uns zusammen sein wolltest; wir werden ein Blatt heraus geben, in dem die Wahrheit und die Gerechtigkeit nie verletzt wird, in dem wir die Lehren verbreiten, die der Menschheit nützlich sind, vielleicht...« Lucien unterbrach Léon und sagte mit ironischem Lächeln: »Ihr werdet keinen einzigen Abonnenten haben.«
»Wir werden fünfhundert haben, die fünfmalhunderttausend wert sind«, versetzte Michel Chrestien.
»Ihr werdet ein großes Kapital brauchen«, fuhr Lucien fort.
»Nein,« sagte d'Arthez, »aber Hingebung.«
»Man sollte meinen, wir wären hier in einem Friseurladen«, rief Michel Chrestien und näherte seine Nase mit einer komischen Bewegung Luciens Kopf. »Man hat dich in einem prächtigen Wagen gesehen, der von einem köstlichen Paar Pferde gezogen wurde, und neben dir saß Coralie, die aussieht wie die Geliebte eines Fürsten.«
»Und«, sagte Lucien, »was ist Schlimmes daran?«
»Du sagst das, als ob Schlimmes daran wäre«, rief Bianchon entgegen.
»Ich hätte für Lucien eine Beatrice gewünscht,« sagte d'Arthez, »eine edle Frau, die ihn im Leben gestützt hätte...«
»Aber,Daniel, gleicht die Liebe nicht überall sich selbst?« fragte der Dichter. »Oh!« rief der Republikaner, »darin bin ich Aristokrat. Ich könnte keine Frau lieben, die ein Schauspieler vor dem Publikum auf die Wange küßt, die in den Kulissen geduzt wird, die sich vor einem Parterre erniedrigt und ihm zulächelt, vor ihm tanzt, die Röcke hochhebt und sich als Mann kleidet, um zu zeigen, was ich allein sehen will. Oder wenigstens, wenn ich eine solche Frau liebte, müßte sie das Theater verlassen, ich würde sie mit meiner Liebe reinigen.«
»Und wenn sie das Theater nicht verlassen könnte?«
»Dann käme ich vor Kummer, vor Eifersucht, vor tausend Leiden fast um. Man kann die Liebe nicht, wie man einen Zahn zieht, aus dem Herzen reißen.«
Lucien wurde ernst und nachdenklich. ›Wenn sie hören, daß ich mir Camusot gefallen lasse, werden sie mich verachten‹, sagte er sich.
»Weißt du,« sagte der Republikaner in schrecklich gutmütigem Tone zu ihm, »vielleicht wirst du ein großer Schriftsteller, aber du wirst nie etwas anderes sein als ein kleiner Possenreißer.«
Er nahm seinen Hut und ging.
»Recht hart ist Michel Chrestien«, sagte der Dichter.
»Hart und heilsam wie die Zange des Zahnarztes«, erwiderte Bianchon. »Michel sieht deine Zukunft voraus, und vielleicht weint er in diesem Augenblick auf der Straße um dich.«
D'Arthez war milde und trostreich, er versuchte, Lucien wieder aufzurichten. Als der Dichter nach einer Stunde den Freundeskreis verließ, peinigte ihn sein Gewissen, das ihm zurief: ›Du wirst Journalist!‹ wie die Hexe Macbeth zurief: ›Du wirst König!‹ Auf der Straße blickte er noch einmal nach den Fenstern des geduldigen d'Arthez, die von einem schwachen Licht erleuchtet waren, und begab sich traurigen Herzens und gequälter Seele nach Hause. Eine Art Vorahnung sagte ihm, daß seine wahren
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