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Verlorene Illusionen (German Edition)

Verlorene Illusionen (German Edition)

Titel: Verlorene Illusionen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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werden konnte. So weit war es mit der Liebe der schönen Henriette und dem jungen Cérizet gediehen, als Petit-Claud ihm davon sprach, er sollte Besitzer der Druckerei Séchard werden, wobei er ihm eine Art stiller Teilhaberschaft mit einer Beteiligung von zwanzigtausend Franken in Aussicht stellte, die der Halfter werden sollte, an dem sie ihn hielten. Diese Zukunft blendete den Faktor und verdrehte ihm den Kopf. Fräulein Signol schien ihm für seinen Ehrgeiz ein Hindernis, und er vernachlässigte das arme Kind. Henriette klammerte sich in ihrer Verzweiflung um so enger an den jungen Faktor der Cointet, als er sie verlassen zu wollen schien. Als der Pariser entdeckte, daß David bei Fräulein Clerget versteckt war, änderte er seine Absichten mit Henriette, aber nicht sein Verhalten; denn er nahm sich vor, die Art Wahnsinn, die ein Mädchen befällt, wenn sie, um ihre Schande zu verbergen, ihren Verführer heiraten muß, sich zunutze zu machen. Am Morgen des Tages, an dem Lucien seine Louise wiedererobern sollte, teilte Cérizet Henriette das Geheimnis Basinens mit und sagte ihr, ihr Glück und ihre Verheiratung hingen von der Entdeckung des Ortes ab, wo David versteckt war. Nachdem Henriette so weit unterrichtet war, machte es ihr keine Mühe, herauszubekommen, daß der Buchdrucker nur in dem Ankleidezimmer von Fräulein Clerget sein konnte; sie glaubte, nicht im geringsten etwas Schlimmes getan zu haben, als sie sich zu dieser Spionage hergab, aber Cérizet hatte sie mit dieser ersten Beihilfe schon in seinen Verrat verwickelt.
    Lucien schlief noch, als Cérizet, der das Ergebnis des Abends in Erfahrung bringen wollte, bei Petit-Claud den Bericht der wichtigen kleinen Ereignisse vernahm, die Angoulême in Aufruhr bringen mußten.
    »Hat Ihnen Lucien seit seiner Rückkehr schon irgend etwas geschrieben?« fragte der Pariser, der zum Zeichen, daß er mit dem Bericht des Advokaten zufrieden war, mit dem Kopf nickte.
    »Weiter habe ich nichts«, erwiderte der Anwalt und gab ihm einen Brief, in dem Lucien auf dem Briefpapier, dessen sich seine Schwester bediente, ein paar Zeilen geschrieben hatte.
    »Also gut,« sagte Cérizet, »zehn Minuten vor Sonnenuntergang soll Doublon am Palet-Tor im Hinterhalt liegen, er soll seine Gendarmen verstecken und seine Leute verteilen: sie sollen unsern Mann haben.«
    »Bist du der Sache, die nun dir überlassen bleibt, sicher?« fragte Petit-Claud und sah Cérizet forschend an.
    »Ich verlasse mich auf den Zufall,« erwiderte Cérizet mit einem Grinsen, das an die Zeit erinnerte, wo er noch der Pariser Gassenjunge gewesen war; »aber das ist ein komischer Herr, er mag die ehrlichen Leute nicht.«
    »Es muß gelingen«, sagte der Anwalt trocken.
    »Ich werd es schon recht machen«, erwiderte Cérizet. »Sie haben mich in diesen Schmutzhaufen gestoßen, Sie können mir schon ein paar Scheine zum Abtrocknen geben ... Aber hören Sie,« sagte der Pariser, der auf dem Gesicht des Advokaten einen Ausdruck wahrnahm, der ihm nicht gefallen wollte, »wenn Sie mich betrogen haben, wenn Sie mir nicht binnen acht Tagen die Druckerei kaufen: wissen Sie, Sie hinterlassen dann eine junge Witwe«, sagte er leise und warf ihm einen tödlichen Blick zu.
    »Wenn wir David um sechs Uhr im Gefängnis haben, dann sei um neun Uhr bei Herrn Gannerac, und da wird dein Geschäft in Ordnung gebracht«, antwortete der Advokat im Tone der Unumstößlichkeit.
    »Abgemacht. Sie sollen richtig bedient werden, Meister«, sagte Cérizet.
    Cérizet verstand schon die Kunst, die heute die Interessen des Fiskus in Gefahr bringt, aus dem Papier Tinte zu entfernen. Er entfernte die vier Zeilen, die Lucien geschrieben hatte, und schrieb an ihrer Stelle folgende, wobei er die Schrift mit einer Vollendung nachahmte, die ein trostloses Licht auf die Zukunft warf, die diesem Faktor bevorstand:
    »Lieber David! Du kannst ohne Furcht zum Präfekten gehen, Deine Sache ist in Ordnung; und überdies kannst Du zu dieser Stunde ausgehen, ich komme Dir entgegen, um Dir zu erklären, wie Du Dich dem Präfekten gegenüber zu verhalten hast.
    Dein Bruder
Lucien.«
     
    Gegen zwölf Uhr schrieb Lucien einen Brief an David, in dem er ihm den Erfolg des Abends mitteilte, ihn der Protektion des Präfekten versicherte, der, sagte er, noch heute einen Bericht über die Entdeckung, für die er begeistert sei, ans Ministerium machte. In dem Augenblick, in dem Marion Fräulein Basine unter dem Vorwand, ihr die Hemden Luciens zum Waschen zu

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