Verlorene Illusionen (German Edition)
Reben haben alle abgeblüht, keine hat Frost abbekommen! Es gibt dies Jahr mehr als zwanzig Ohm auf den Morgen. Aber wie das auch gedüngt ist!«
»Vater, ich muß mit dir von einer wichtigen Sache sprechen.«
»Nun, was machen unsere Pressen? Du mußt klotziges Geld verdienen.«
»Ich werde es verdienen, Vater, aber gegenwärtig bin ich nicht reich.«
»Sie tadeln mich hier alle, daß ich so viel dünge«, entgegnete der Vater. »Die Bourgeois, d. h. der Herr Marquis, der Herr Graf, der Herr Soundso behaupten, ich nähme dem Wein die Qualität. Nun hör mal zu! Diese Herren ernten sieben, manchmal auch acht Stückfässer auf den Morgen und verkaufen sie zu sechzig Franken das Stück, das macht also in den guten Jahren höchstens vierhundert Franken auf den Morgen. Ich gewinne zwanzig Stück und verkaufe sie zu dreißig Franken, in Summa sechshundert Franken. Wer ist nun der Dummkopf? Die Qualität! die Qualität! Was liegt mir an der Qualität! Die können sie meinetwegen für sich behalten, ihre Qualität, die Herren Grafen! Für mich sind die Taler die Qualität! Was sagst du?...«
»Vater, ich verheirate mich. Ich wollte dich fragen...«
»Mich fragen? Was! Nicht im geringsten, mein Junge. Verheirate dich, ich stimme zu; aber geben kann ich dir nichts, ich habe keinen Heller. Die Gebühren haben mich ruiniert! Seit zwei Jahren habe ich Gebühren, Steuern, Auflagen aller Art zu zahlen; die Regierung nimmt alles. Der größte Teil des Vermögens wandert zur Regierung! Seit zwei Jahren haben die armen Winzer nichts verdient. Dieses Jahr läßt sich nicht übel an, aber meine verfluchten Ohmfässer kosten schon elf Franken das Stück. Die Ernte wird für den Böttcher sein. Warum willst du vor der Weinlese heiraten?«
»Vater, ich wollte nur um deine Zustimmung bitten.«
»Ah, das ist eine andere Sache! Ich bin nicht neugierig, aber wen heiratest du?«
»Ich heirate Fräulein Eva Chardon.«
»Was ist das für eine? Wovon lebt sie?«
»Sie ist die Tochter des verstorbenen Herrn Chardon, des Apothekers von Houmeau.«
»Du heiratest eine Tochter des Houmeau, du, ein Bürgersmann, du, der Buchdrucker des Königs in Angoulême? Das sind die Früchte der Erziehung! Darum läßt man seine Kinder studieren! So! Sie ist also sehr reich, mein Söhnchen?« sagte der alte Winzer und trat mit schmeichelnden Mienen näher an seinen Sohn heran; »denn wenn du eine Tochter des Houmeau heiratest, muß sie einen schönen Batzen haben! Schön! Du wirst mir meine Miete bezahlen. Weißt du, mein Junge, daß du nun zweieinviertel Jahr die Miete schuldig bist? Das macht zweitausendsiebenhundert Franken, die mir sehr gelegen kämen, um den Böttcher zu bezahlen. Von jedem anderen, als meinem Sohn, hätte ich das Recht, Zinsen zu verlangen, denn schließlich, Geschäft ist Geschäft; aber ich erlasse sie dir. Nun also, was hat sie?«
»Sie hat, was meine Mutter hatte.«
Der alte Winzer wollte ausrufen: »Sie hat nur zehntausend Franken!« Aber er erinnerte sich, daß er seinem Sohn keine Rechnung gelegt hatte, und rief:
»Sie hat nichts!«
»Das Vermögen meiner Mutter war ihre Klugheit und ihre Schönheit.«
»Geh auf den Markt damit und sieh, was du dafür bekommst! Heiliges Donnerwetter! Was haben die Väter für ein Pech mit ihren Kindern! David, als ich mich verheiratet habe, war mein ganzes Vermögen eine papierene Zipfelmütze auf dem Kopf und meine beiden Arme; ich war ein armer Bär; aber mit der schönen Druckerei, die ich dir geschenkt habe, mit deiner Betriebsamkeit und deinen Kenntnissen mußt du eine Städterin heiraten, die dreißig-, vierzigtausend Franken hat. Steck deine Liebschaft auf, und ich will dich selber verheiraten! Wir haben eine Meile von hier eine Witwe von zweiunddreißig Jahren, eine Müllersfrau, die für hunderttausend Franken Land hat; das ist 'ne Sache für dich. Du kannst ihre Güter mit denen von Marsac verbinden, sie grenzen aneinander! Ach! was für ein schönes Anwesen hätten wir und wie würde ich es verwalten! Man sagt, sie will sich mit Courtois, ihrem ersten Gesellen, verheiraten. Du bist noch mehr wert als er! Ich würde die Mühle führen, während sie in Angoulême die Dame spielen könnte.«
»Vater, ich bin verlobt...«
»David, du verstehst nichts vom Geschäft; ich sehe, du ruinierst dich. Jawohl, wenn du dich mit dieser Tochter des Houmeau verheiratest, werde ich streng auf deine Verpflichtungen sehen, ich werde verlangen, daß du mir meine Miete zahlst; denn mir ahnt
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