Verlorene Liebe
was?«
»Nein, ich hatte nur nicht gedacht, daß du noch hier sein könntest.«
»Ich mußte einfach bleiben, bis du wieder da bist. Gibt es etwas Neues?«
Er löste das Holster und hängte es unter den alten Stuhl, den er vorhatte zu restaurieren. »Die Frau hat großes Glück gehabt. Sie hat den Täter abgewehrt, und dann ist ihr Hund über ihn hergefallen.«
»Ich hoffe nur, der Hund war noch nicht geimpft. War es unser Mann, Ed? Bitte, ich muß es einfach wissen.«
»Möchtest die offizielle Erklärung oder meine Privatmeinung hören?«
»Deine Meinung.«
»Er war es. Und jetzt ist er sauer.« Er rieb sich mit beiden Händen übers Gesicht und hockte sich auf die Bettkante. »Tess glaubt, daß er jetzt noch gefährlicher und unberechenbarer ist. Eine Frau hat sich gegen ihn gewehrt, ihn zurückgestoßen und damit sein Vorgehensmuster zerstört. Tess meint, er habe sich jetzt zurückgezogen, um seine Wunden zu lecken. Und wenn er damit fertig ist, wird er von neuem und noch unbarmherziger auf die Jagd gehen.«
Grace nickte und dachte insgeheim, daß dies kaum der geeignete Zeitpunkt war, ihm zu erzählen, was sie vorhatte. »Die Frau hat ihn aber doch gesehen, oder?«
»Nein. Es war dunkel, und allem Anschein nach ist sie fast so blind wie ein Maulwurf.« Ed hätte am liebsten lautstark geflucht, wenn sich damit irgend etwas geändert hätte. Unter anderen Umständen hätte Mary Beth sie mit einer brauchbaren Täterbeschreibung versorgen können, und dann hätten sie ihn in Null Komma nichts aufgespürt und dingfest gemacht. »Die Frau hat kaum mehr als einen Schemen von ihm wahrgenommen. Vielleicht fällt ihr beim Polizeizeichner noch etwas ein.«
»Also nur ein paar weitere Puzzleteile?
Er verdrehte die Schultern, aber die Knoten in den Muskeln wollten sich nicht lösen. »Wir überprüfen die Kundenliste von Fantasy und befragen die Nachbarn. Vielleicht haben wir Glück. Unverhofft kommt oft.«
»Du bist ja ganz verspannt.« Sie rutschte zu ihm und massierte seine Schultern. »Mir ist bisher noch gar nicht aufgegangen, wie sehr dich so ein Fall mitnehmen kann. Ich dachte, das wäre nur Routine für dich, und du würdest alles so nehmen, wie es kommt.«
Er sah sie über die Schulter an. Sein Blick war kälter und härter, als sie je bei ihm bemerkt hatte. »Für mich ist es niemals Routine.«
Nein, für einen Mann wie Ed sicher nicht. Dafür nahm er seine Arbeit viel zu ernst. Obwohl sie sich vorgenommen hatte, nicht auf seine Pistole zu starren, wanderte ihr Blick jetzt unweigerlich dorthin. Gleichgültig, ob er sie trug oder nicht, seine Dienstauffassung veränderte sich nicht. Grace wußte, daß sie das im Gedächtnis behalten mußte. »Wie wirst du nur mit allem fertig? Ich meine, du wirst mit so vielen schrecklichen Dingen konfrontiert. Das muß dich doch belasten. Was unternimmst du dagegen, und wie schaffst du es, am nächsten Tag weitermachen zu können?«
»Einige von uns trinken. Nein, sehr viele von uns greifen zur Flasche.« Er lachte kurz. Die Verkrampfung wich aus seinen Schultern. Grace konnte mit ihren Händen wahre Wunder vollbringen. Zu gern hätte er ihr jetzt gesagt, daß er sich von diesen Händen festhalten lassen wollte. »Ist natürlich nur eine Flucht. Aber jeder sucht sich seinen Fluchtweg.«
»Und wie sieht deiner aus?«
»Ich arbeite mit den Händen. Ich lese Bücher.« Er zuckte die Achseln. »Und gelegentlich trinke ich.«
Grace legte ihr Kinn auf seine Schulter. Sie war so kräftig und breit, daß man es lange auf ihr aushalten konnte. »Seit Kathleen ermordet wurde, habe ich mir vor allem selbst leid getan. All die Zeit dachte ich: Das ist doch nicht fair! Womit habe ich das verdient! Es war wirklich nicht leicht für mich, über den Verlust meiner Schwester hinauszublicken und das Gesamtbild zu erkennen.« Sie schloß für einen Moment die Augen. Er roch unwahrscheinlich gut. So warm und so heimelig wie ein Feuer, das abends im Kamin brannte. »Doch während der letzten Tage habe ich mich darum bemüht. Und irgendwann ist mir klargeworden, wie sehr du mir eine Hilfe warst. Ich weiß nicht, wie ich die vergangenen zwei Wochen ohne dich durchgestanden hätte. Du bist mir wirklich ein guter Freund gewesen, Ed.«
»Es freut mich, wenn ich dir ein wenig zur Seite stehen konnte.«
Grace lächelte leicht. »Und dann habe ich mich auch gefragt, ob dir irgendwann der Gedanke gekommen ist, du könntest etwas mehr für mich sein. Bevor wir heute abend von Ben und Tess
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