Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Verlorene Seelen

Verlorene Seelen

Titel: Verlorene Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
Vom Netzwerk:
Honiglecken, Ben.«
    »Bis ein Ärzteteam ihn für geheilt erklärt.«
    105
    »So einfach ist das nicht, das weißt du doch. Schließlich kennst du die Gesetze.« Sie fuhr sich mit der Hand durchs Haar. Er hatte recht, und sie auch. Das machte die Dinge nur noch komplizierter. »Man sperrt niemanden ein, weil er Krebs hat, weil er die Zerstörung seines Körpers nicht aufhalten kann. Wie kann man jemanden bestrafen, ohne die Zerstörung seines Geistes zu berücksichtigen? Ben, allein an Schizophrenie leiden mehr Leute als an Krebs.
    Hunderttausende von Menschen müssen in Kliniken leben.
    Wir können uns nicht von ihnen abwenden, nur weil das chemische Gleichgewicht in ihrem Gehirn gestört ist.«
    Statistiken oder Ursachen interessierten ihn nicht, nur Ergebnisse. »Wie du selbst schon mal gesagt hast –
    Wahnsinn ist ein juristischer Begriff. Ob verrückt oder nicht, er hat seine Rechte als Bürger, und er hat Anspruch auf einen Anwalt, und sein Anwalt wird ebendiesen juristischen Begriff benutzen. Setz dich doch mal, wenn alles vorbei ist, mit den Familien der drei Opfer zusammen und erzähl ihnen was von Störung des chemischen Gleichgewichts. Es würde mich interessieren, ob du sie überzeugen kannst, daß ihnen Gerechtigkeit zuteil geworden ist.«
    Sie hatte schon Familien von Mordopfern betreut und kannte das Gefühl, verraten worden zu sein, das Gefühl verbitterter Hilflosigkeit nur zu gut. Es war eine Hilflosigkeit, die sich, wenn man nicht aufpaßte, auf den Behandelnden übertragen konnte. »Du bist derjenige mit dem Schwert, Ben, nicht ich. Mir stehen nur Worte zur Verfügung.«
    »Ja.« Ihm hatten sie ebenfalls zur Verfügung gestanden, und er hatte sie auf eine Weise benutzt, auf die er nicht stolz war. Er mußte hier weg, mußte nach Hause. Er wünschte, daß zu Hause ein Glas Brandy und eine Frau auf ihn warten würden. »Ich werde morgen eine
    106
    Zusammenkunft mit Monsignore Logan vereinbaren. Du wirst sicher auch dabeisein wollen.«
    »Ja.« Sie verschränkte die Arme und fragte sich, warum sie nach einem Wutanfall immer so deprimiert war.
    »Ich habe den ganzen Tag Termine, aber den um vier kann ich absagen.«
    »Der Betreffende ist wohl nicht allzu verrückt?«
    Da er lächelte, gab sie sich Mühe und lächelte ebenfalls.
    »Das will ich nicht gehört haben.«
    »Ich werde zusehen, daß ich für vier Uhr dreißig etwas ausmachen kann. Ich lass’ dir dann telefonisch Bescheid geben, ob es klappt.«
    »Prima.« Es schien nichts mehr zu sagen zu geben.
    Vielleicht gab es aber auch mehr zu sagen, als beide im Moment verkraften konnten. »Bist du sicher, daß du keinen Kaffee willst?«
    Er wollte schon welchen, und überdies wollte er bei ihr sitzen und mit ihr über alles mögliche reden, nur nicht über das, was sie beruflich miteinander verband. »Nein, ich muß los. Die Straßen sind bereits in einem schlimmen Zustand.«
    »Ach?« Sie blickte zum Fenster und bemerkte zum erstenmal den Schneeregen.
    »Wenn man nicht sieht, was vor dem eigenen Fenster passiert, heißt das, daß man zuviel arbeitet.« Er ging zur Tür. »Du hast ja noch immer kein Einriegelschloß.«
    »Nein.«
    Die Hand auf dem Türknauf, drehte er sich um. Er sehnte sich danach, bei ihr zu bleiben, mehr als nach dem besagten Glas Brandy und der imaginären Frau. »Hat dir die Bogart-Sache neulich gefallen?«
    »Ja, war schön.«
    107
    »Vielleicht sollten wir so was irgendwann wieder machen.«
    »Ja, vielleicht.«
    »Bis dann, Frau Doktor. Und leg die Kette vor.«
    Er zog die Tür zu, wartete jedoch, bis er das Rasseln der Kette hörte.
    108
    5
    In gemächlichem Tempo kutschierte Ed die Sixteenth Street entlang. So herumzufahren gefiel ihm genauso gut –
    nun, fast genauso gut –, wie mit quietschenden Reifen durch die Gegend zu jagen. Für einen unkomplizierten, relativ unbekümmerten Menschen wie ihn war es eine läßliche Sünde, bei wilden Verfolgungsfahrten die Straßen entlangzurasen.
    Ben saß schweigend neben ihm. Normalerweise hätte er einige bissige Bemerkungen über Eds Fahrstil, über den das ganze Dezernat Witze riß, vom Stapel gelassen. Die Tatsache, daß er sich weder darüber noch über die Tanya-Tucker-Kassette, die Ed gerade abspielte, äußerte, ließ darauf schließen, daß er mit seinen Gedanken ganz woanders war. Man mußte nicht unbedingt so scharfsinnig wie Ed sein, um sagen zu können, was ihn gerade beschäftigte.
    »Ich habe eine Vorladung für den Borelli-Fall
    bekommen.« Genüßlich hörte Ed

Weitere Kostenlose Bücher