Vermächtnis der Schwerter Tausendsturm
dass die zahlreichen politischen Verwicklungen im Reich, die permanenten Untergrabungsversuche seines Machtanspruchs durch die versammelten Landesherren, der fehlende Rückhalt im eigenen Land Jovena und die aufsässigen Nordprovinzen ihn zu einem zahnlosen Tiger hatten werden lassen. So musste er sich in seinem eigenen Palast von diesem so genannten Glaubensführer beleidigen lassen, ohne irgendetwas dagegen unternehmen zu können. Und genau das wusste der Citarim. Der Einfluss des Tempels innerhalb der Bevölkerung war enorm, demnach würden die Bewohner Citheons bei einem Bruch des Monarchen mit der Priesterschaft sicherlich nicht den ungeliebten Inselherrn unterstützen. Wenn sich der König mit der Kirche überwarf, so bedeutete dies unweigerlich ein Aufbegehren des Volkes gegen seine Regentschaft.
Deshalb schluckte Jorig Techel seinen gesammelten Groll hinunter, setzte sich wieder hin und sagte mit rauer, aber fester Stimme: »Trotzdem werde ich diesen Krieg führen.«
»Aber mein König«, ließ sich daraufhin Graf Rudmar vernehmen, »wenn Arden Erenor ein Sohn Ecorims ist, dann entbehrt dieser Feldzug doch jeglicher Grundlage.«
»So ist es«, pflichtete Graf Heimar bei, »denn wenn dieser Arden Erenor ein rechtmäßiger Thronfolger ist, so müsst Ihr, als der offizielle Statthalter des Königs, ihm den Thron überlassen.«
Die bernsteinfarbenen Augen des Herrschers von Citheon verengten sich zu dunklen Schlitzen, während sich eine tiefe Furche zwischen seine Augenbrauen grub. Seine Stimme klang vollkommen ruhig, aber jedem wurde bewusst, dass es an der Zeit war, sich vorzusehen: »Graf Heimar, wenn Euch Euer Titel und Euer Leben teuer sind, dann erdreistet Euch nicht noch einmal, Eurem König zu sagen, was er tun muss. Ich wiederhole: Ich werde diesen Krieg führen, ob mit oder ohne die Unterstützung meiner Landesherren. Eure Entscheidung in dieser Sache wird selbstverständlich entsprechende Konsequenzen haben.«
Es wurde unvermittelt so still im Thronsaal, dass nur noch das leise Rascheln der prunkvollen Gewänder zu hören war, wenn einer der Anwesenden verlegen von einem Bein auf das andere trat.
Lange wagte niemand, ein Wort zu sprechen, bis schließlich der Citarim den Kopf vor dem König neigte, um sich zu verabschieden: »Majestät, die Aufgabe, welche mir der göttliche Cit auferlegte, habe ich erfüllt. Alles Weitere liegt in Eurer Hand.« Er wandte sich zum Gehen, wobei er mit seinem durchdringenden Blick noch einmal die nach wie vor schweigsamen Adeligen streifte. Dabei berührte er mit Zeige- und Mittelfinger sanft das goldene Zeichen auf seiner Stirn. Es wirkte fast beiläufig, dennoch verfolgte jeder Einzelne wie gebannt diese flüchtige Geste.
»Vergesst nicht«, sagte der Citarim, als er gefolgt von seinen beiden Begleitern den Thronsaal verließ, »dem Willen der Götter kann man sich nicht widersetzen.«
Wieder herrschte Schweigen in dem großen, von marmornen Säulen getragenen Saal, aber dabei lag eine Spannung in der Luft wie in den bangen Augenblicken unmittelbar vor dem Beginn einer Schlacht. König Jorig knetete verbissen seine Unterlippe, während er finster auf eine Entscheidung seiner Landesherren wartete. Er hatte ihnen mitgeteilt, was von ihnen erwartet wurde, und schon die Tatsache, dass sie sich mit ihrer Antwort nun derart lange Zeit ließen, war eine kaum hinnehmbare Provokation.
Dann trat der ergraute Graf Naduseld von Tibennar vor seinen König und beugte schwerfällig das Knie. »Majestät«, sagte er leise, »Ihr wisst, dass mir auf meine alten Tage der Sinn nicht nach Zwistigkeiten steht, aber ich kann es mit meinem Gewissen nicht vereinbaren, den Willen der Götter zu missachten und damit ihren Zorn auf mich und mein Land herabzubeschwören. Deshalb werde ich den Krieg gegen Fendland weder durch Geld noch Truppen unterstützen und hoffe, Ihr könnt diese Entscheidung akzeptieren.« Damit erhob er sich schwankend und machte der Etikette gemäß zunächst drei Schritte rückwärts, bevor er dem König den Rücken zuwandte.
Ausgerechnet von seinem bislang zuverlässigsten Gefolgsmann eine solche Absage zu erhalten, erschütterte Jorig Techel zutiefst. Graf Naduseld war tatsächlich der einzige Landesherr gewesen, der sich im Interesse seiner Provinz und womöglich auch als Tribut an sein fortgeschrittenes Alter niemals in direkte Opposition zum König begeben hatte. Unglücklicherweise handelte es sich bei dem Führer von Tibennar um einen sehr
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