Vermächtnis der Sünder: Das Spiel der falschen Prophetin (German Edition)
und bewies diesem, dass er mehr wert war als ein Dutzend Männer.«
In den Reihen des stehenden Volkes hörte man weibisches Gekicher.
»Mehr noch …« hob Lutek kurzweilig die Stimme an und es kehrte wieder Ruhe aufseiten der Weiber ein.
»Allen Widrigkeiten zum Trotz, bescheiden und unerschütterlich in ihrem Willen, wollte sie den Fluch der Anderen beenden. Auf dass wir eines Tages keine San-Hüter mehr brauchen werden.«
Lautes Gemurmel ertönte von allen Seiten der Tribünen. Celena blickte ungläubig ihren Geliebten an und Belothar war kaum noch auszumachen. Lutek aber fuhr unbeirrt fort. Mit jedem weiteren Wort hob er die Stimme an.
»Und so begab sie sich auf ihre selbst auferlegte Quest, die Gnade des Allerhöchsten Göttlichen zu erfahren. Vom Schöpfer selbst wurde sie berührt, sodass ihr am heutigen Tage alle in ihrem Licht baden dürft. Hier ist sie, die Dame … Soverani Celena Tousard.«
Lutek strahlte über das ganze Antlitz. Stolz verneigte er sich mehrmals, bevor er den Rückweg zu seinem alten Standort hinter Belothar antrat.
* * *
Der Augenblick war gekommen. Jetzt würde sich zeigen, ob das ermüdende Training in den letzten Tagen gefruchtet hatte.
Auf ihrem schwarzen Rappen sitzend, fest die baumlange Lanze in der Hand haltend, fasste Celena ihren ersten Gegner ins Auge. Plump, in unförmige Stahlfässer gezwängt, welche Turnierrüstung genannt wurde, hockte dieser auf seinem Pferd. Geschunden von der Last seines Reiters, torkelte das als edles Vollblut bezeichnete Tier hin und her. Man konnte meinen, der Besitzer hatte diesem zuvor einen Kübel vergorenes Gerstengebräu zu saufen gegeben.
Celena atmete tief durch, während ihr Ross im Gegensatz zu seinem Artgenossen die Ruhe selbst schien. Kaum wurde ihr bewusst, wie schnell plötzlich alles ging, als sich die Flagge senkte.
Die Schindmähre des Ritters gegenüber erwachte augenblicklich zu neuem Leben und donnerte bereits auf den mittigen Holzbalken zu. Reaktionsschnell konnte Celena gerade noch das Visier schließen, bevor sie Feuerwind antrieb. Wolther, der die Zügel gehalten hatte, taumelte einen Schritt nach vorne, als ihm unerwartet die Lederriemen entrissen wurden.
Mit jedem Krachen der schweren Hufe auf dem Boden verkürzte sich das Tilt und der gepanzerte Gegenspieler rückte näher. Die Stange in ihrer Hand wurde schwerer und schwerer. Schweißperlen krochen ihr über das Gesicht. Sie keuchte auf, da sie die Lanze in Position hievte.
Ihr Ziel anvisierend, entsandte sie ein kurzes Stoßgebet zum Schöpfer hin. Der Aufprall nahm ihr dem Atem. Lanzensplitter stoben auf und sie schwankte im Sattel. Kurz darauf, sie wusste nicht wie, fand sie sich an ihrem Ausgangspunkt wieder.
Innerlich fühlte sich Celena derangiert Ihr war, als habe sie sich in die nächste Schmiede verlaufen und wäre dort zwischen Hammer und Amboss geraten. Jeden Eid hätte sie darauf geschworen, den einen oder anderen gebrochenen Knochen davongetragen zu haben.
Belothar indes, der kurz zusammengezuckt war, da sein Champion getroffen wurde, suchte mit den Augen nach den Punktezählern. Beide Kämpfer konnten jeweils einen Punkt für sich gewinnen, steckten die Bediensteten in ihre Anzeigebalken jeweils eine kleine, weiße Flagge.
Er nickte und wandte sich an Lutek.
»Es heißt, weniger sei mehr!«, sprach er ihn mit kaum unterdrücktem Missfallen an. Die Antwort bestand in einem leisen Auflachen.
»Wann und wo habt ihr die Möglichkeit den Menschen die Wahrheit zu sagen, ohne dass sie ahnen, dass es die Wahrheit ist?« Lutek verzichtete wohlweißlich auf eine persönliche Anrede des Königs.
»Da ihr unverhofft eure bardische Ader offenbart hattet - warum singt ihr die Geschichte nicht?«, schlug Belothar mit Bitterkeit vor. Er kratzte die Reste seiner Würde aus den Rillen des Holzes, auf dem er thronte. »Das ist keine schlechte Idee«, gab Lutek zu.
»Wunderbar, dann schreibt gleich eine Ballade über mein Ableben in einem hölzernen Bottich.«
»Hölzernen Bottich?«
Belothar kam nicht dazu, seine Selbstmordmethode im Detail zu erläutern. Die Flagge senkte sich erneut. Einmal mehr donnerten die Hufe dem Tilt entgegen. Feuerwind mühte sich weit weniger, denn der Schimmel von Celenas Gegner. Es war unübersehbar, das trotz der äußerlichen Erscheinung einer Schindmähre, der Weiße geschickter, erfahrener und zäher war. Zurecht erstaunte es daher nicht, dass Celenas Lanze auf dem Harnisch ihres Gegenspielers abglitt. Die Stange des anderen zerbarst
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