Vermächtnis der Sünder: Das Spiel der falschen Prophetin (German Edition)
musste Celena insgeheim der Witwe Zustimmung zollen, auch wenn niemand erahnte, das Belothar seit Kurzem kein Hüter mehr war.
Die Herrschaft eines Ordens, der unter anderem dunkle Geheimnisse hütete und die Menschen in Unwissenheit hielt, war gefährlich. Cercile nutzte diese Ahnungslosigkeit des Mobs gnadenlos aus. Ob sie Belothar durchschaute, der vorgab ein San-Hüter zu sein, oder schlichtweg machtgierig war, sei dahingestellt. Andererseits erwies sie sich durchaus als eine vernünftige Kandidatin, auch wenn sie sich als eine hinterlistige Schlange zeigte. Letztlich war sie eine kluge Taktikerin, die ihr Fähnlein nach dem Wind hängte. Aus diesem alleinigen Grunde sollte der Kampf um den Thronsitz öffentlich ausgetragen werden. Nicht wie einst unter den Augen der Adligen, sondern durch die Stimme des Volkes, die zwar nichts nutzte, jedoch gewissen Druck ausübte.
Der Wettstreit in Form eines Tjost war der Erste dieser Art, seit Hadaiman von der langen Besetzung Osgosais befreit wurde. In der langjährigen Fremdherrschaft verboten, war Hadaiman, man musste es sich eingestehen, im Gegensatz zum gehassten wie gefürchteten Nachbarn rückständiger. Mochten Frauen in osgosainischen Turnieren keine Besonderheit sein, so hatte Hadaiman sich dieses einzig für die adligen Männer bewahrt.
Furcht vor der Weiblichkeit, eine andere Erklärung hatte Celena dafür nicht. Ehre nannte man es, verletzbare Männlichkeit bezeichnete es sie. Andernfalls, so ihre weitere Überlegung, musste der Adel den weiblichen Rittern einen eigenen Titel zugestehen. Nicht dieses "Sör", welches ein herausragendes Merkmal eines Helden in den Augen vieler war. Eines Helden, der in vielen Liedern, Balladen und Geschichten stets ein Mann war.
Ähnlich einem dieser Sprachgesänge hörten sich die langweiligen und teils blumigen Einführungen der Teilnehmerschaften durch deren Herolde an. Wohlweislich schien es sich um einen Brauch zu handeln, denn es bestand ausschließlich in der mannhaften Bezeugung eines jeden Recken. Einzig einer dieser Kämpfer, das konnte Celena beobachten, verharrte völlig stumm, während sein heraldischer Ehrenmann das Turnier für die adlige Weiblichkeit auf den Rängen zu gewinnen suchte. Von ihnen gab es derer nur zwei, die neben Cercile ebenfalls auf der Tribüne ihre Köpfe hoch über die Kombattanten reckten. Zumeist gelobten die Ritter, den Sieg für die Witwe zu erringen. Sie war die höchststehende Dame, die neben Belothar auf einem der beiden ausladenden Holzsessel Platz genommen hatte. Jolana Korden, die nunmehr alleinige Erbin des Feudaltum Ithnamena, war eine der anderen beiden adligen, wie Celena mit einem Stirnrunzeln bemerkte. Zuletzt erblickte die frisch geschlagene Ritterin unter den Anwesenden Lutek. Um den Adel nicht den Auftritt zu stehlen, hatte er sich nicht unweit von ihnen abseits gestellt.
Mit aller Macht unterdrückte Celena, den Kopf weiterhin neugierig aus dem Zelt steckend, ihre eigene Anspannung. Indes Wolther mit kraftvollem Zerren die letzten Riemen ihrer Rüstung festschnallte.
Kelthran, welcher das Szenario des Ankleidens und Anlegens der Rüstung beobachtet hatte, neigte leicht sein Haupt zur Seite.
»Zugegeben ...«, begann er und ließ Celena dabei nicht aus den Augen. »Ihr würdet durchaus einen ansehnlichen Mann abgeben.«
Die Angesprochene warf dem Elf ihren ermüdetsten Blick, den sie bei solch einer Ansage aufzusetzen pflegte, zu. »Ihr ebenso«, bemerkte sie knapp
Das breite Grinsen eines Wolfes aufsetzend, welcher gerade die Hälfte seines frisch gerissenen Schafes teilte, trat Kelthran auf sie zu. Er prüfte seinerseits wie beiläufig die Riemen, was Wolther mit einigem grimassenuntermalten Gestikulieren zu Rihan kommentierte. Frei nach dem Motto: »Was denkt das Spitzohr, was ich hier getan habe?« Dieser signalisierte mit einem leichten Schütteln des Kopfes, das er nichts Falsches tun möge.
Celena rollte mit den Augen, ob des ihr nicht verborgen gebliebenen, stillen Wortgefechts der beiden Rittergehilfen. Sie wandte sich von Kelthran ab und starrte zurück zum festgeschmückten Kampfplatz. Es war nicht das baldige Aufeinandertreffen der Titanen, was sie ängstigte. Es war das Publikum, welches ein flaues Gefühl in ihrer Magengegend verursachte.
»Seid ihr fertig?«, fragte sie den Elf ohne sich umzublicken.
»Natürlich! Seit meiner Geburt«, schnappte seine Stimme von hinten zurück. Celena verkniff sich eine entsprechende Antwort, gleichsam umspielte ein amüsiertes
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