Vermächtnis der Sünder: Das Spiel der falschen Prophetin (German Edition)
Tote. Celena unterdrückte mit aller Kraft den Würgereiz. Sie selbst war bis vor Kurzem nicht mehr als ein gut aussehender wandelnder Leichnam gewesen. Sie schüttelte sich angesichts dieser Erkenntnis.
Das einst menschliche Wesen vor sich war von einer Niedertracht, welche sich nicht einmal Geister und Dämonen erlaubten. Selbst diese Geschöpfe aus dem Jenseits waren nicht so grausam, wie diese Teufel, die sie "die Anderen" nannten.
Blut klebte in dem geschwärzten Gesicht des Mädchen und neben ihr lag eine angefressene Leiche. Sie selbst trug zerfetzte Kleidung. Celena erkannte was geschehen sein musste. Die Bestien hatten sie genommen und danach wie ein Stück Dreck weggeworfen. Infiziert wurde sie ihrer Bestimmung überlassen. Sie fraßen ihre Männer, sie fütterten sie damit und sie nahmen sie, bis sie eine von ihnen wurde. Nur, um dann ihre Brut auszuwerfen. Und der Orden der San-Hüter tat nichts dagegen.
Maßlose Wut brodelte in Celena hoch, kochte in ihren Adern und schnürte ihr gleichzeitig die Kehle zu. Abwechselnd krochen ihr Eiseskälte und Hitze über den Rücken, je weiter sie darüber nachsann.
Dieser Orden kämpfte nicht wirklich um zu siegen. Sie drängten die Bestien lediglich zurück. Niemand von ihnen führte den vernichtenden Schlag gegen das Herz der Finsternis. Geduldig wartete man, bis sich die Monster neue Krieger schufen und sich erneut mit einem Aufmarsch zeigten. Dafür opferten die San-Hüter andere. Nicht durch das, was sie mit ihrem Ritual taten, sondern durch das, was sie nicht taten. Das beste Beispiel dafür war das Mädchen vor ihr. Celena mochte sich nicht ausmalen, wie viele menschliche, elfische oder zwergische Frauen all die Jahrhunderte über dieses Schicksal gefunden hatten.
Sie konnte nicht untätig herumstehen und dieses Mädchen, welches gerade aus den Kinderschuhen entwachsen war, diesen Teufeln überlassen.
»Bitte!«, hauchte die junge Frau stockend. »Töte mich … ich kann es fühlen. Dieser Hunger … «
»Nein. Ich kann dir helfen«, gab Celena ohne weitere Überlegung von sich. Ihr Unwissen, wie sie dies hätte tun sollen, straften ihre Worten Lügen.
Die Infizierte schüttelte, unter Aufbietung von letzter Kraft, den Kopf. »Nein, nein … zu ... spät!«
Celenas Stimme versagte ihr den Dienst. Sie wusste, dass die Kleine recht hatte. Mit geschlossenen Augen zog sie die Himmelsschneide aus der Scheide. Zaudernd hob sie die Klinge an. Kurz vor dem entscheidenden Streich hielt sie inne und blickte in die tief liegenden Augen. In ihnen flackerte ein Rest Leben, das sehr bald vom Bösen für immer verdrängt werden würde.
»Sie müssen an die Ordnung der Dinge erinnert werden«, zischte Celena. Bebend hielt sie die Klinge in der Hand, hoch über dem Mädchen haltend. Dann stieß sie zu.
Ein markerschütternder Schrei entrang sich ihrer Kehle. Alle Wut, all der Hass und gerechter Zorn steckte in diesem.
»Ich töte euch. Euch alle! Hört ihr mich? Ich werde jeden Einzelnen von euch jagen und zur Strecke bringen!«, schrie Celena die brennenden Wände des Gebäudes an.
Vom Zorn überwältigt schlug sie blindlings mit dem Schwert auf Bänke und Trümmer ein. Irgendwann glitt ihr vollkommen ermattet von den kraftvollen Hieben der Schaft der Klinge aus den Fingern. Alle guten Vorsätze waren vergessen. Jene, die den alten Wegen nicht entsagten, verdienten den Tod und der war noch zu gnädig für sie.
Sie drehte sich zu der Statue von Karmaste, die trotz der verheerenden Zerstörung aufrecht neben dem Altar stand.
»Ich werde für dieses Nichtstun euch bezahlen lassen!«, keuchte Celena aufgrund von Hitze und Rauch der steinernen Gestalt entgegen. »Hört ihr? Dafür hasse ich euch«, ächzte sie Luft holend.
Warum all das? Wo lag der Sinn? Sie hatten den Schöpfer ihrer Welt verraten. Sie hatten die Welt zerstört, die er geschaffen hatte, und ließen einander dafür leiden. Und diejenigen, die sie bekämpfen sollten, die sahen am Wegesrande dem dunklen Treiben zu.
Celena, halb wahnsinnig vor Schmerz und Wut, sackte auf den Steinboden des Schöpferhauses in die Knie. Sie hatte nie gebetet und nun tat sie es. Ihr Gebet richtete sich jedoch nicht an den göttlichen Vater im Jenseits. Augenblicklich regte sich in ihr etwas. Es war wie eine innere Stimme, die zu ihr sprach. Als würde Lutek ihren Geist in diesem Augenblick berühren und ihr Ruhe schenken. Davon beruhigt züngelte lediglich ein kaltes aber mildes knisterndes Blitzen von göttlichen Zorn in ihr.
»Dann
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