Vermächtnis der Sünder: Das Spiel der falschen Prophetin (German Edition)
geworden, den Sattel, den sie sich von einen der Flammenrösser genommen hatte, auf Sebyll festzuschnallen. Celena beachtete weder das Getuschel, noch die irritierten Gesichter der Umstehenden, als sie auf den Grypos zu trat. Oben aufsitzend reichte sie Lutek helfend ihre Hand.
* * *
Schwarzer Rauch quoll aus den Gebäuden Ithnamenas. Flammen leckten an den Fassaden hoch und fraßen sich durch alles hindurch, was ihnen genügend Nahrung gab. Dieses Feuerinferno konnte nicht allein das Werk der Horsocks sein. Die Horde zerstörte, mordete und fraß, aber Gebäude in Flammen aufgehen lassen, war nicht in ihrem Sinne. Einige größere Schatten auf den Dächern kündeten von der Anwesenheit von Derkoys. Die fest verschlossenen Tore der Stadt trotzten den widerwärtigen Eindringlingen. Was allerdings Celena ebenfalls von oben erkannte, war ein Haufen von durcheinanderlaufenden Menschen vor den Toren. Soldaten des Reiches.
Augenblicklich schoss ihr ein grausiger Gedanke durch den Kopf. Sie waren es, die die Häuser angezündet hatten. Jemand musste den Befehl gegeben haben, der einfallenden Horde nichts zu überlassen. Man wollte alles einäschern was die verdorbenen Kreaturen infizierten. Es sollte nichts nach außen in die gesunde Welt dringen, selbst wenn es bedeutete die Bewohner dafür zu opfern. Verbrannte Erde, das sollte von Ithnamena übrig bleiben.
»Was tun sie dort unten?«, drang Luteks Ruf an ihre Ohren. Sie reagierte nicht. Zu sehr betäubte sie der Anblick und die bittere Erkenntnis. Selbst den großen Schatten, der plötzlich Sebylls Flugrichtung schnitt, nahm sie nicht wahr. Der überraschende Angriff brachte den Grypos ins Trudeln. Plötzliche ruckartige Flügelbewegungen rissen sie aus den schaurigen Gedanken. »Was um alles …?«, vermochte Celena aussprechen, ehe der Schatten abermals auftauchte und kreischend seine scharfen Klauen nach ihnen ausstreckte. Immer und immer wieder attackierte sie die schlanke und doch kraftvolle Fluggestalt. Das Wesen versuchte Sebylls Flugrichtung zu ändern. Sie tat dem Angreifer nicht den Gefallen, sondern setzte zum Sturzflug auf den Turm des Schöpferhauses an. Abermals schoss der Schatten heran. Sebyll neigte sich zur Seite und Celena rutschte aus dem Sattel. Im allerletzten Moment konnte sie den Riemen von Luteks Harnisch packen. Mit einem verzweifelten Aufschrei riss sie den Rotschopf mit sich in die Tiefe, ehe der gefiederte Schrecken Sebyll mit seinen Klauen ergriff. Noch im Fall erkannte Celena diesen als einen weiteren Grypos. Er war größer und mächtiger als der weibliche Greif, auf dem sie gesessen hatten.
Der Fall nahm nach einer gefühlten Ewigkeit sein abruptes Ende. Schindeln zerbarsten unter ihrem Aufprall. Knirschen in den Holzbalken deuteten darauf hin, dass die Bedachung nachzugeben drohte. Einen Lidschlag später brach sie durch. Über sich sah sie durch das von ihr gerissene Loch im Dach den rauchgeschwärzten Himmel. Und sie fiel tiefer und tiefer, den Tod vor Augen.
* * *
Unsicherheit auf wessen Seite man hätte stehen sollen, war in manch der Gesichter der angewachsenen Truppe von Jeamy zu lesen. Die alte Kommandantin hatte dem Zuwachs unmissverständlich klar gemacht, dass alles Nötige später diskutiert würde. Wenige zeigten offen ihre Unentschlossenheit. Andere waren vernünftig genug zu erkennen, das ein Streit darüber keinen Sinn machte. Sie hatten in dem Moment ihre Wahl getroffen, da sie ihre Schwerter gegen ihre Brüder erhoben. Genauso hatten jene, die Jascal und Nacud loyal eingestellt waren, ihre Entscheidung gefällt gehabt.
Jeamy war klar, dass ein gemeinsamer, zudem unbekannter, neuer Feind, selbst zerstrittene Gegner zusammenzubringen vermochte. Dennoch machte sich die Kommandantin Sorgen. Sie war gezwungen, ihre alten und neuen Untergebenen mit aller Strenge zusammenzuhalten. Größere Sorgen machte sie sich um Lutek und Celena, die allein zur Stadt aufgebrochen waren. Sollten die Tore Ithnamenas verschlossen sein, mochte es sich durchaus als nützlich erweisen, jemanden im Inneren zu wissen. Anderseits hätte sie hartnäckig darauf bestehen müssen, dass die beiden Kinder des Schöpfers hier auf der Festung in Sicherheit blieben. Wobei Celena sicherlich eine der stursten Persönlichkeit war, die sie bislang kennengelernt hatte. Diese Sturheit und ihr Eigensinn hätten sie nicht davon abbringen lassen. Wahrscheinlich war es das, was sie überleben ließ, einfach zu störrisch um zu sterben. Das
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