Vermächtnis der Sünder: Das Spiel der falschen Prophetin (German Edition)
imaginären Punkt auf dem Steinboden.
Schließlich blickte sie auf. »Ich weiß, was ich zu glauben habe.«
Was immer aus ihr sprach, es war ein Teil von ihr. Es war etwas Reines und Göttliches und nur für sie geschaffen. Es war ein Teil einer Kraft, welche alles schuf und alles war. Ein Teil des Träumers und vom Traum geformter Gedanken. Ersungenes Erschaffen und Erhabenes.
Es war der Eine ... Sie ... war er und er … war sie.
Die Augen der Fremden wurden groß. Sie musterte Celena mit prüfendem Blicke. »Sieh an, die Marionette beginnt zu begreifen. Viele Jahre ist es her, da war selbst für mich die Wahrheit zu groß, um sie zu begreifen. Ob sie ebenfalls für euch zu groß ist?«
»Du bist für all dies verantwortlich«, harschte Celena ihr unbekanntes Gegenüber an. Tief in ihrem Innern wusste sie jedoch,wem sie gegenüberstand.
»Jedwede Sache und jedes Wesen erfüllt seinen Zweck«, entgegnete die andere mit süffisanten Unterton. »Die Hexe erfüllte den ihren, der Knabenkönig erfüllte seinen. Gar eure große Liebe und nicht zu vergessen … ihr selbst. Niemandem ist es gelungen zu jenem Ort vorzustoßen, auf dem sein Blick lag. Denn niemand kam an ihm vorbei. Er war der Wächter selbst. Nur eines seiner Kinder durfte passieren. Das Kind, für welches er versteckte, was mir zustand. Ihr habt mir weit mehr gedient, als ihr euch vorstellen könnt. Es ist an euch zu entscheiden.«
Doch was, wenn die einzig wahre Entscheidung darin bestand, nicht zu entscheiden überlegte Lutek. Er hatte rechtzeitig alles mit anhören können, während er hinter einer noch stehenden Säule Schutz suchte.
Sein Blick galt für einen kurzen Moment der Statue am Altar, dann fasste er wieder die weißblonde Frau ins Auge. Er kannte die ihren. Er hatte sie oft gesehen. In Stein gemeißelt wie bei dieser Statue dort drüben Ebenso lebendig hatte Lutek diese Augen dereinst erblickt.
Einer Kriegsfürstin gleich verharrte die Fremde. Ruhig und zu allem entschlossen. Celena hielt ihren Blicken stand. Blut und Schmutz verunzierte ihr Antlitz. Es war ein Anblick animalischer Wildheit, gleichsam lag in ihren Zügen Besonnenheit und Ruhe. Die Feuer in ihrem Rücken, die das Gebäude langsam aufzehrten, stand die Kriegerin so erhaben wie ihr Vater dort. Ein blasses bläuliches Knistern züngelte um ihre Fingerspitzen. Tief in ihrer Seelenpforte leuchtete es auf. Ruhend und doch von nahezu unbändigem Zorn entflammt, zeichnete sich die Gestalt der Geliebten gegen das rotgelbe Toben der Flammen ab. Beinahe fühlte der Rotschopf das Schlagen von Celenas Herz.
Entschlossen trat er hinter der Säule hervor.
»Darum geht es also. Wir sollen wählen.«
»Da schau an, die andere sprechende Marionette. Ja, Kind, darum geht es. Darum geht es immer. Oder etwa nicht?«, antwortete die Frau, die weder alt, noch jung war. Vielmehr schien sie zeitlos, als habe sie vor langer Zeit einen Pakt mit dem Schöpfer selbst oder dem absonderlichsten Übel geschlossen.
»Fragt euch selbst ...«, wollte sie fortfahren, wurde jedoch von Lutek unterbrochen.
»Wer wir sind? Was wir wollen?« Lutek hob die Augenbrauen an. »Woher sollen wir das wissen, wenn nicht einmal ihr es wisst?«
»Interessant«, warf die Zeitlose ein.
»Wie lange schon? Wie lange tobt eure Auseinandersetzung? Tausende von Jahren? Selbst die Horde nährt sich derweil von eurem Zwist. Und ihr seid schlimmer als sie. Wozu dieser Krieg? Ihr habt ihn begonnen!«
Urplötzlich stob beißender Zorn in der Unbekannten auf. Die Hitze schwoll an, Wind kam auf und die Flammen schlugen Lutek entgegen. »Ich habe ihn nicht begonnen, sondern er!« Das wütende Toben erstarb augenblicklich. »Er hat diese Plage über euch gebracht. Er gab mir Hoffnung und Macht, denn ich war seine Auserwählte. Und doch verwehrte er mir alles, als es vorbei war.«
»Warum, Karmaste? Ihr hab alles verraten, ihr hab den göttlichen Schöpfer verraten. Warum?« In Luteks Mundwinkeln zuckte es.
Er biss die Zähne aufeinander. Unsicher was er wirklich denken sollte, schritt er zu Celena hinüber. Seine Gedanken wirbelten durcheinander und doch schien er sich innerlich leer zu fühlen. Er stand der Frau gegenüber, die er stets bewundert hatte. Der Braut des Schöpfergottes. Im besten Falle war sie im Nichts, im schlechtesten eine Lügnerin. Wie Recht Celena gehabt hatte.
»Warum? Ihr solltet das ihn fragen«, forderte Karmaste den rothaarigen Osgosaianer auf. Ihr Augenmerk richtete sich auf Celena. »Oder fragt
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