Vermächtnis der Sünder: Die Kinder des Einen (German Edition)
er sich der Treppe zuwandte. Langsam stieg er hinauf zu dem Grab seiner Auserwählten. Zögernd betrat er die Erde, in der seine Geliebte ruhte. Er breitete seine Arme aus und wirbelte um die eigene Achse. Die Erde mitsamt der irdischen Reste der Begrabenen hob sich in die Luft und kreiste von der Anziehungskraft angetrieben um ihn herum. Nicht das kleinste Körnchen Staub aus dem von einer großen Mauer umfassten Grab konnte sich dem Sog entziehen. Einer braunen Wand ähnlich verharrte der Wall. Ein Glimmen glitzerte hindurch und sammelte sich zu einem Rotierendem runden Etwas.
»Die Macht, die ich dir einst gab, soll zu mir zurückkehren«, donnerte seine Stimme befehlend durch die Gruft.
Er hielt seine Hand der Energiekugel entgegen und fing sie auf. Die einst heilige Erde fiel zurück, während der Schöpfer mit der leuchtenden Kugel in der Hand die Treppen hinabging. Er trat zu Celena und kniete neben sie. Mit aufgerissenen dunkelblauen Augen sah sie erwartungsvoll und gleichwohl ängstlich zu ihm.
»Du, meine Tochter, lebe! Beschütze deinen Auserwählten, so wie er dich beschützt. Ihr müsst leben, denn es gibt etwas einzulösen. Und deine Gabe soll Schöpfung sein.«
Mit diesen Worten schleuderte der Göttliche die pulsierende Lichtkugel auf ihren Körper. Wie ein scharfes Schwert durchfuhr es Celenas Körper, der sich krümmte und aufbäumte. Es war schnell vorbei. Ihr Schmerz in der Seite spürte sie nicht mehr. Frei davon atmetet sie lächelnd tief durch. Der Schöpfer erwiderte das Lächeln, erhob sich und bestieg erneut die Stufen. Er betrachtete die Begräbnisstätte.
»Jetzt ist es ein normales Grab einer Toten«, murmelte er und drehte sich um.
Belothar und Lutek hatten derweil Celena geholfen aufzustehen. Deirdre stellte sich zufrieden lächelnd hinter ihnen. Alle miteinander sahen sie zu der Gestalt neben der Skulptur Karmastes hinauf.
»Für euch ist es Zeit aufzubrechen. Alle meine Hoffnung ruht auf euch. Und möge Karmastes Weisheit, die in dieser Welt weiterhin fortlebt, euch den Weg weisen. Bereitet euch auf den Tag vor«, sprach er leiser werdend und verschwand.
Wie von etwas gelenkt stieg Celena danach ebenfalls die Treppen hinauf, stellte sich neben die Statue und verharrte. Ihre Augen suchten den Sockel des Standbildnis ab. Einen winzigen Riss erkannte sie nach mehrmaligen Hinblicken. Sie kniete sich nieder und tastete mit den Fingerspitzen herum, bis sie eine Einkerbung fand.
Der Sockel samt dem Bildnis von Karmaste glitt mit schleifenden Geräusch zur Seite.
* * *
Das Tor der Gruft öffnete sich so gut wie geräuschlos. Schneidender eisiger Wind blies den vier Herauskommenden frontal ins Gesicht.
Die zurückgeblieben San-Hüter und die anderen ihrer Gruppe erhoben sich mit staunenden Blicken von ihren Lagerstätten. Wie gebannt starrten sie alle auf die Kriegerin, als sie sich dem Lager näherten.
Der heftige Wind verfing sich in Celenas neuen Umhang, der sich in seiner glutroten Farbe aufblähte. Hunderte von feinen ineinander genietete silbrige Eisenplättchen eines Kettenhemdes schmiegten sich wie eine zweite Haut an ihren Körper. Der Brustpanzer mit seinen fein geschmiedeten großen Schuppen schillerte goldgelb darüber. An ihrer Seite hing das golden gravierte Schwert, das einst Karmaste gehörte.
Jeamy stemmte die Hände unbeeindruckt in ihre Hüften.
»Die Rüstung Karmastes!«, stellte sie trocken fest, während die anderen bewundernd näherkamen.
»Und? Erzählt!«
Celena wollte etwas sagen, wurde aber plötzlich von einem Gefühl übermannt, das sie daran hinderte, ein Wort zu sprechen. Der heftige Brechreiz ließ sie sich zusammenkrümmen. Es war, als ob sich in jedem Moment ihre Eingeweide nach außen stülpen würden. Ein gewaltiger anschwellender Schmerz folgte.
»Was geschieht … hier?«, stotterte Belothar abgehackt, wurde kreidebleich und schien augenblicklich Ähnliches durchzustehen wie Celena. Die Hüterin betrachtete den König entsetzt. Aus seinen Augen tropfte Blut und ebenso quoll es aus Nase, Mund und Ohren.
Thorgrim, der nicht wie die anderen aufgestanden war, sprang besorgt von seinem erhöhten steinernen Sitz.
»He, Magierin was passiert hier?«, wetterte er Deirdre an. Er glaubte sicherlich, sie hätte damit zu tun.
Celena und Belothar sahen sich von der Pein gezwungen auf ihren Knien, um letztlich sich am Boden hin und her zuwälzen. Lutek brach wenig später gleichfalls zusammen.
»Säuberung«, antwortete die Magierin knapp auf Thorgrims Frage.
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