Vermächtnis des Pharao
Ränge konnten die Ordnung auf den Straßen aufrechterhalten und Überfälle auf Händler oder auch Boote untersuchen, aber ihre oberen Chargen waren von je her Instrumente des Pharao und des Staates gewesen. Er konnte der Verlockung, ein Problem zu lösen, nicht widerstehen. Genau das hatte Amotju erwartet und erhofft, aber trotzdem zögerte Huy: Wohin würde diese Arbeit führen? Seine Augen waren zusammengekniffen wegen der Sonne, und so konnte er unbemerkt einen Seitenblick auf seinen Freund werfen, der gerade Wein und Wasser mischte. Amotju war so alt wie er, aber die Götter hatten ihm eine große, schlanke Gestalt verliehen und Geld und Position, Sicherheit und Macht geschenkt. Da saß er mit gekreuzten Beinen in seinem fleckenlos weißen Kilt - aus Wolle und nicht etwa aus Leinen - und schenkte den guten Kharga-Wein ein. Wenige Falten zerfurchten sein Gesicht, und der Kajal um seine Augen war makellos aufgetragen. Das ganze Boot gehörte ihm und dazu fünf weitere, ebenso große; Huy dagegen wäre dankbar gewesen, wenigstens auf einem davon Arbeit zu haben. Seine Ehe war zwar offenbar innerlich tot, aber doch noch intakt, und er hatte seine Kinder. Außerdem hatte er fünf Konkubinen, zwanzig Hausdiener und wer weiß wieviele Sklaven und bezahlte Facharbeiter in seiner Flotte. Er sah aus wie ein Mann, den nichts erschüttern konnte, und dennoch...
Gestern, als sie im Feuerschein an Bord gesessen und gegessen hatten - das Entenfleisch hatte Huy schwer im Magen gelegen, denn seit Monaten hatte er so etwas nicht mehr gegessen -, da hatte Amotju ein rosiges, wenn auch unscharfes Bild von Huys Zukunft gemalt. Erst heute, als das Schiff längst unterwegs war und es kein Zurück mehr gab, hatte er den wahren Grund offenbart, weshalb er den Freund so überstürzt mitgenommen hatte.
Andererseits, Huy hätte sowieso wegziehen, irgend etwas tun müssen. Offenbar brauchte Amotju seine Hilfe - oder glaubte, sie zu brauchen -, und zwar so dringend, daß Huy nichts anderes übrigblieb, als sie ihm zu geben. Vielleicht war sein Freund einfach ein Werkzeug des Schicksals. Huy sah zu, wie das ewige Sonnenlicht auf dem Wasser tanzte, und für einen Augenblick fesselte ihn das metallische Türkis einer Libelle, die pfeilschnell über dem Wasser dahinflog und dann wieder verharrte.
Huy rieb sich den Bauch. Zumindest würde er, wenn er den Auftrag annahm, eine Zeitlang gut essen. Er wußte längst, daß Amotju genug gesagt hatte, um ihn zu ködern, und noch mehr zu sagen hätte, wenn er es nur aus ihm herauslocken könnte. Er drehte sich um.
»Was hast du über den neuen König gehört?«
Amotju war verblüfft. »Er ist unser Herr.«
»Er ist sehr jung.«
»Was meinst du damit?«
»Er ist ein Kind. Es wird noch vier Jahre dauern, bis er die Herrschaft antritt. Dann wird es denjenigen, die in seiner Gunst stehen, an nichts fehlen.«
»Ich frage noch einmal: Was meinst du damit?«
»Daß es jetzt Zeit ist, zu bauen.«
»Aber was hat das mit der Drohung gegen mein Leben zu tun?«
»Um zu bauen, brauchen die Leute Kapital. Erzähle mir mehr von Rechmire.«
Amotju schenkte Wein ein. An Bord tat er solche Dinge gern selbst. »Kannst du meine Gedanken lesen?«
»Ich hätte nur gerne, daß du mir erzählst, was du mir nicht erzählt hast.«
»Ich habe dir alles erzählt, was ich weiß.« Amotju hatte überlegt, ob er über seine Beziehung zu Mutnofret ausführlich berichten sollte. Er hatte nicht erwähnt, daß sie auch Rechmires Geliebte war, aber angedeutet, daß zwischen dem Priester und ihm eine gewisse Rivalität bestehe.
»Nein, das hast du nicht.«
»Ich...«
»Wenn ich dir helfen soll...« Huy schwieg.
»Es stimmt, daß Rechmire für jemand, der noch vor einem halben Jahr kaum mehr als seinen früheren Ruf vorzuweisen hatte, mit erstaunlicher Geschwindigkeit Reichtum angehäuft hat. Natürlich war er vorsichtig; er hat seinen Wohlstand allmählich wachsen lassen, damit es natürlich wirkt, aber trotzdem...« Amotju verstummte.
»Und was kauft er damit?«
»Er kauft Leuten Geschenke.« Amotju konnte den Ärger in seiner Stimme nicht ganz unterdrücken.
»Soll heißen, er kauft Leute?«
»Es gibt welche, die bei Haremheb immer ein offenes Ohr finden.«
»Und beim König?«
»Der König! Der ist noch nicht da. Er ist in der Nördlichen Hauptstadt. Außerdem ist er ein Kind und wird tun, was Haremheb ihm sagt...«
Wut hatte die Worte aus ihm hervorsprudeln lassen; so hatte Amotju es ganz und gar nicht
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