Vermächtnis des Pharao
geplant. Dennoch ließ er seinem Verlangen, sich jemandem anzuvertrauen, die Zügel schießen und zog Huy sehr viel rascher ins Vertrauen, als er vorgehabt hatte.
Er goß sich noch etwas Wein ein.
Die Hitze des Nachmittags hämmerte jetzt, da das Seqtet -Boot der Sonne die Reise nach Westen begann, durch das Segeltuchdach. Amotju nahm die Perücke ab und wischte sich mit der Hand über den Schädel, ehe er sie locker in ein Umschlagtuch wickelte.
»Aber hat er das nötig? Er ist schon jetzt ein Mann mit Macht«, beharrte Huy.
»Diese Macht hat er gekauft.«
»Dennoch kann er in so kurzer Zeit nicht so viel aufgebaut haben.«
Amotju konnte jetzt nicht mehr zurück; er beschloß, die Mahnung zur Vorsicht, die aus der Tiefe seines Herzens ertönte, zu ignorieren und Huy vollends ins Vertrauen zu ziehen. Huy würde dieses Wissen nicht benutzen, um sich Vorteile zu erkaufen; dazu war ihre Freundschaft zu alt.
»Komm schon«, sagte Huy halb scherzhaft. »Ich kenne dich und deine Geheimnisse. Du hast nie etwas lange für dich behalten können.«
»Nicht, wenn ich mich entschlossen habe, jemandem zu vertrauen«, antwortete Amotju. »Aber du mußt beim Horus schwören, daß du für dich behältst, was ich dir jetzt erzähle.«
»Ich kann nicht bei den alten Göttern schwören. Aber ich kann auch nicht für dich arbeiten, wenn du mir nicht alles sagst, was du weißt, und auch das, was du vermutest.«
»Also - ich glaube, die Todesdrohung kam von Rechmire. Wenn sich das irgendwie beweisen ließe, hätte er sie mir nie geschickt; aber sein Erfolg hat ihn sehr zuversichtlich gemacht, und er hat nur noch wenig Zeit, bis der Pharao in die Südliche Hauptstadt kommt. Die Leute erwarten es, und nicht einmal Haremheb kann sie ewig hinhalten.«
»Wieso hat er wenig Zeit?«
Amotju machte eine Geste der Ungeduld. »Du bist lange fortgewesen. Mach dich auf viele Veränderungen gefaßt, wenn du jetzt zurückkommst. Zehn Jahre lang ist es mit der Stadt bergab gegangen. Als der Hof weg war, gab es keine Führung mehr. Nur die alten Priester, die zurückgeblieben waren, rissen die Zügel der Macht, die noch vorhanden war, an sich und nutzten sie für ihre eigenen Zwecke. Das Tal war ohne Polizeischutz. Die Gräber der großen Pharaonen lagen ungeschützt da, voller Reichtümer - Goldminen vor ihrer Haustür.«
»Soll das heißen, daß Rechmire...«
»Beweisen kann ich nichts. Natürlich taten sich die Männer, die früher die Gräber ausgehauen haben, zu Banden zusammen. Sie kannten die Anlagen und die falschen Gänge. Aber eine Gruppe arbeitet ganz für sich und ohne die anderen. Sie nehmen wenig, aber sie nehmen das Beste. Sie lagern es irgendwo im Tal und müssen es auf dem Wasserwege fortschaffen. Nun geht ihre Zeit zu Ende. Haremheb ist wieder da, und er hat die Armee und die Medjays aufgeschreckt. Er will den Ahnen ihre Würde wiedergeben und damit dem Schwarzen Land den Stolz auf sich selbst. Grabräuber, die jetzt erwischt werden, pfählt man am Westufer des Flusses und läßt sie dort, bis die Knochen blankgefressen sind. Rechmire wird sein Unternehmen bald beenden müssen; aber er wird so dicht wie möglich vor dem Wind segeln.«
»Er benutzt die Grabgaben, um sich Einfluß bei Haremheb zu erkaufen!« Huy grinste. »Diese Schlange kann tödlicher sein als Apopis. Ich glaube, was du da von mir verlangst, ist mehr, als ich tun kann.«
»Du bekommst alle Unterstützung, die du brauchst. Aber natürlich wirst du nicht in meinem Hause wohnen, und du wirst allein arbeiten.«
Huy verschwieg, daß es ihm so lieber war. Ihm wurde klar, daß Amotju ihn nicht kennen würde, wenn seine Ermittlungen auffliegen sollten, und daß der Tod, der ihn dann erwartete, das Pfählen wie eine Gnade aussehen lassen würde.
»Gib meinem Auftrag einen Namen«, sagte er schließlich.
»Bringe Rechmire zur Strecke.« Amotju verschwieg seinen privaten Grund für diesen Wunsch. Es reichte, wenn Huy Rechmire für einen politischen Rivalen hielt, deshalb hatte er auch seine Vermutung verschwiegen, daß die Todesdrohung weniger mit gestörten Grabräubern zu tun hatte, als mit der Eifersucht des Priesters wegen Mutfronet. Amotju hatte Huy nicht erzählt, daß er in der Nacht nach der Rückkehr vom Grabe seines Vaters bei seiner Geliebten gewesen war.
Huy mühte sich, seinen Stolz in den Griff zu bekommen. »Und gib meinem Auftrag einen Preis«, sagte er.
»Wenn du Erfolg hast, kannst du ihn selbst bestimmen.« Amotju schenkte lächelnd Wein
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