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Vermächtnis des Schweigens (German Edition)

Vermächtnis des Schweigens (German Edition)

Titel: Vermächtnis des Schweigens (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heather Gudenkauf
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einst langen, schlanken Finger sind faltig und beginnen, an den Gelenken dicker zu werden. „Er istimmer noch im OP.“
    „Ich gehe in einer Minute und frage die Schwestern“, sage ich. „Mal sehen, ob sie was Neues wissen. Hat jemand Brynn oder Grandma angerufen? Geht es dir gut? Hast du was gegessen?“
    Erneut schüttelt sie den Kopf und schaut auf ihre Füße. „Ich habe vergessen, andere Schuhe anzuziehen.“ Ihr Kinn zittert, sie bedeckt sich die Augen und fängt an zu weinen. „Er ist alles, was ich habe“, schluchzt sie. „Er ist alles, was mir geblieben ist.“

CHARM
    Tief in ihrem Herzen wusste sie, dass sie sich nicht um ihn kümmern konnte. Sie hatte sich mit der Entscheidung sehr gequält. Charm war sich sicher gewesen, dass er sie angelächelt hatte, auch wenn in dem Buch, das sie in der Bücherei gefunden hatte, stand, dass Babys nicht wirklich lächeln können, bis sie sechs Wochen alt sind. Aber Charm hätte schwören können, dass der Kleine, als er seine winzige Faust in die Luft gereckt hat, ihr ein kleines, echtes Lächeln geschenkt hat. Sie alle wussten von Anfang an, dass ihre gemeinsame Zeit begrenzt wäre. Charm und Gus brachten es nicht einmal über sich, ihm einen Namen zu geben. Gus nannte ihn Lütter oder Knirps , und Charm flüsterte ihm die Namen von süßem Konfekt und Backwaren ins Ohr. „Hey, Cupcake“, sagte sie, wenn sie ihn aus dem provisorischen Bett herausnahm, das sie aus einem mit weichen Decken gepolsterten Wäschekorb gebaut hatten. „Guten Morgen, Butterflocke, Süßkartoffel, Apfelring, Käsekuchen.“ Dann schaute er Charm an, als wollte er sagen: „Nicht mehr lange, hm? Es ist nur eine Frage der Zeit, bis ich hier raus bin.“ Charms Herz zog sich dann immer schmerzhaft zusammen, und sie weinte und weinte, bis die Vorderseite seines Stramplers ganz durchnässt war und er anfing zu schreien.
    Die Wochen der Geheimhaltung und schlaflosen Nächte zehrten an Charm, und es war klar, dass Gus von Tag zu Tag kranker wurde. Nachts wurde sie entweder vom Schreien des Babys oder Gus’ rasselndem Husten geweckt. Charm konnte einfach nicht mehr, sie konnte sich nicht mehr um beide kümmern – um das Baby und den kranken Mann. Gus hatte sie bei sich aufgenommen, als niemand anderes sie haben wollte. Ohne Fragen zu stellen oder Vorbehalte zu haben. Und er hatte das Baby so behandelt, als wäre es schon immer da, als wäre es ein Teil der Familie. Gus war wie ein Vater zu ihr. Das Baby war erst vor Kurzem zu ihnen gekommen, doch Gus hatte einen festen Platz in ihrem Herzen. Gus würde sterben, und sie musste sich zwischen ihm und dem Baby entscheiden.
    Es war bereits spät in der Nacht, als Charm endlich wusste, was zu tun war. Sie lief im Wohnzimmer auf und ab, das Baby auf dem Arm, und versuchte, den Kleinen zum Einschlafen zu bringen. Sie war völlig übernächtigt und blieb mit dem Fuß an einem Beistelltischchen hängen, wodurch ihr das Baby aus den Händen glitt. Sie hatte ihn fallen lassen . Mit weit aufgerissenen Augen starrte er sie vom Fußboden aus an, der Sturz hatte ihm für einen Moment den Atem geraubt, sein Mund öffnete und schloss sich, als wolle er kommunizieren, was Charm bereits wusste.
    Still, ohne Gus aufzuwecken, legte sie alle Babysachen in den Wäschekorb, der sein Bettchen war, und fuhr ihn zur Feuerwache auf der Oak Street in Linden Falls, nur einen Ort weiter, direkt auf der anderen Seite des Druid River. Die gleiche Feuerwache, auf der Gus früher gearbeitet hatte. Sie fragte sich, warum sie sich ausgerechnet für diesen Ort entschieden hatte, und entschied, dass es sich um einen guten Platz handeln musste, wenn Gus dort früher gearbeitet hatte. Dort würde man sich um den Kleinen kümmern.
    Sie hob ihn aus dem Wäschekorb, der im Fußraum auf der Beifahrerseite stand, und drückte ihn eng in die Brust. Er hatte sich müde geweint und war endlich eingeschlafen. Seine kleinen süßen Finger hatte er zur Faust geballt, die wie eine winzige rosafarbene Blüte unter seinem Kinn lag. Sie musste es tun, musste das Einzige weggeben, das sie auf Anhieb und bedingungslos geliebt hatte. Vorsichtig legte sie ihn zurück in den Korb und trug ihn zur Feuerwache, wobei sie sich die ganze Zeit umschaute, ob jemand sie beobachtete. Es war eine sternenlose, warme Nacht, und niemand war auf der Straße. Sie küsste seine weiche Wange, flüsterte: „Sei brav, mein kleiner Kürbis“, und stellte ihn behutsam ab. Traurig erinnerte sie sich daran, wie sie

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