Vermächtnis
angenehmer war. »Reis essen und keine Mücken mehr!«, lautete ihre kurze Erklärung.
Beim Lesen der sieben Punkte in Tab. 3 fällt auf, dass mehrere Gefahren für viele oder die meisten traditionellen Völker großes Gewicht haben, während sie für uns moderne Menschen selten sind oder überraschend wirken. Wilde Tiere stellen für traditionelle Völker tatsächlich eine wichtige Bedrohung dar (Abb. 43 ) . Bei den Ache werden beispielsweise acht Prozent der erwachsenen Männer durch Jaguare getötet. Löwen, Leoparden, Hyänen, Elefanten, Büffel und Krokodile töten Afrikaner, aber das Tier, dem mehr Afrikaner zum Opfer fallen als jedes andere, ist das Flusspferd. !Kung und afrikanische Pygmäen werden nicht nur von großen Raubtieren getötet, gebissen, gekratzt oder aufgespießt, sondern auch von Antilopen und anderen verwundeten Beutetieren, auf die sie Jagd machen. Für uns ist es ein entsetzlicher Gedanke, dass !Kung-Jäger ganze Löwenrudel von Kadavern vertreiben, die !Kung selbst wissen jedoch, dass die größte Gefahr von einem einsamen Löwen ausgeht, der so alt, so krank oder so verwundet ist, dass er schnelle Beutetiere nicht mehr fangen kann und Menschen angreifen muss.
Auch Giftschlangen stehen für die tropischen Völker in Tab. 3 weit oben auf der Liste der Gefahren. Sie sorgen bei erwachsenen männlichen Ache für 14 Prozent der Todesfälle (also für mehr als Jaguare), und noch häufiger sind sie für den Verlust von Gliedmaßen verantwortlich. Bei den Yanomamo und Ache ist fast jeder Erwachsene schon mindestens einmal gebissen worden. Noch häufiger werden Bäume als gefährlich eingestuft, entweder weil Stämme oder Äste herabstürzen und Menschen erschlagen (man erinnere sich an mein eigenes Erlebnis, über das ich am Anfang von Kapitel 7 berichtet habe), oder weil Menschen auf Bäume steigen, um zu jagen oder Früchte oder Honig zu sammeln und dann abstürzen (Abb. 42 ) . Von dem zu Heizzwecken im Haus angezündeten Feuer geht eine größere Gefahr aus als von Waldbränden – die meisten Hochlandbewohner aus Neuguinea und auch die Mehrzahl der !Kung tragen Brandnarben, weil sie als Erwachsene neben einem Feuer geschlafen oder als Kleinkinder in seiner Nähe gespielt haben.
Außerhalb der Tropen, aber auch in den höheren Lagen Neuguineas und anderer tropischer Länder, ist der Tod durch Einwirkung von kaltem und/oder nassem Wetter ebenfalls eine Gefahr. Selbst bei den Ache, die in Paraguay nicht weit vom südlichen Wendekreis leben, können die Temperaturen im Winter bis unter den Gefrierpunkt sinken, und ein Ache, der sich nachts ohne Feuer im Wald verirrt hat, schwebt in Lebensgefahr. Als ich auf einem der höchsten Berge Neuguineas in einer Höhe von 3300 Metern mit guter Ausrüstung und warmer Kleidung bei eisigem Regen und stürmischem Wind zu Fuß unterwegs war, begegnete mir eine Gruppe von sieben neuguineischen Schulkindern, die törichterweise am Morgen bei schönem Wetter nur mit Shorts und T-Shirts zu einer Überquerung des Berges aufgebrochen waren. Als ich sie einige Stunden später traf, zitterten sie unkontrolliert, taumelten und konnten kaum noch sprechen. Meine einheimischen Begleiter brachten sie zu einem Unterstand und deuteten auf einen Steinhaufen in der Nähe, hinter dem eine Gruppe von 23 Männern ein Jahr zuvor bei schlechtem Wetter Schutz gesucht hatte; sie waren dort am Ende erfroren. Weitere umweltbedingte Gefahren für traditionelle wie auch für moderne Völker sind Ertrinken und Blitzschlag.
Die !Kung, Neuguineer, Ache und viele andere Völker von Wildbeutern sind berühmt für ihre Fähigkeit, Spuren zu verfolgen, Hinweise in der Umwelt zu deuten und einen kaum sichtbaren Pfad zu finden. Aber auch sie und insbesondere ihre Kinder machen hin und wieder Fehler, verirren sich und finden dann nicht vor Einbruch der Dunkelheit ins Lager zurück, was tödliche Folgen haben kann. Einige meiner Freunde waren Zeugen von zwei solchen Tragödien in Neuguinea: Einmal trennte sich ein Junge unterwegs von einer Gruppe Erwachsener und wurde nie wieder gefunden, obwohl man am gleichen Tag und an den nächsten Tagen überall nach ihm suchte; in dem zweiten Fall verirrte sich ein erfahrener, kräftiger Mann am späten Nachmittag im Gebirge; er fand nicht mehr ins Dorf zurück und starb in der Nacht durch Erfrieren.
Andere Unfälle werden durch die eigenen Waffen und Werkzeuge verursacht. Die !Kung bestreichen ihre zum Jagen verwendeten Pfeile mit einem starken
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