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Vermächtnis

Vermächtnis

Titel: Vermächtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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Philippinen oder in Kenia aufwuchsen, als Teenager in die Vereinigten Staaten zogen und mir von ihren Erlebnissen berichteten:
    »Amerikanische Jungen sind Machos, reden wie Machos und schlagen andere Kinder. Netten Kindern geht es in den Vereinigten Staaten nicht gut.«
    »Nachdem ich mit Kindern in Neuguinea aufgewachsen bin, fiel mir in den Vereinigten Staaten als Erstes auf, dass Kinder hier in ihre Häuser gehen, die Tür zumachen, Videospiele spielen und dann das Haus wieder verlassen, um zur Schule zu gehen. In Neuguinea waren wir als Kinder ständig draußen und spielten miteinander.«
    »Afrikanische Kinder sind ständig mit anderen zusammen. Ins Haus gehen wir Kinder nur zum Schlafen. Wir könnten in jedes Haus gehen und wissen, dass wir dort willkommen sind. Amerikanische Kinder sind oft nicht mit anderen Kindern zusammen. Heutzutage, wo es die Videospiele gibt, ist das Problem, dass man allein im Haus bleibt, in den Vereinigten Staaten sogar noch schlimmer als zu der Zeit, in der ich aufgewachsen bin – damals gab es nur das Fernsehen, aber keine Videospiele.«
    »Drüben auf den Philippinen nennen die Kinder alle Erwachsenen ›Tante‹ und ›Onkel‹. Wir gehen in allen Häusern des Dorfes ein und aus. Wenn es Zeit zum Abendessen ist, essen wir zusammen mit anderen Kindern in dem Haus, in dem wir zu der Zeit gerade sind.«
    »Amerikanische Kinder sind nicht so gesellig wie die Kinder in Neuguinea. Dort bin ich es gewohnt, jeden, der vorüberkommt, anzulächeln und ›hallo‹ zu sagen und ein Gespräch zu beginnen. Amerikanische Kinder gehen aneinander und an Fremden vorüber, fangen keine Unterhaltung an und sagen nicht ›hallo‹. Wenn ich lächle und ›hallo‹ sage, antworten sie zwar, aber sie fangen nicht selbst damit an.«
    »In den USA müssen die Leute unterhalten werden; sie wissen nicht, wie man sich selbst unterhält.«
    »Wenn du in Afrika etwas brauchst, machst du es selbst, und dann weißt du, wie es zusammengesetzt wird und wie es funktioniert. Wenn du in den Vereinigten Staaten etwas brauchst, kaufst du es, und du weißt nicht, wie es zusammengebaut wird.«
    »Amerikanische Kinder sind nicht so kreativ wie die Kinder in Neuguinea, denn für sie ist alles fertig verpackt. Wenn du in Neuguinea ein Flugzeug siehst und ein Modellflugzeug haben möchtest, baust du dir das Modell selbst aus Holz oder aus Stöcken. Dann spielst du mit dem Flugzeug, du lässt es herabstoßen oder Geräusche machen. Mein Bruder und ich haben den Flug eines Flugzeuges mit unseren selbst gebauten Flugzeugen in allen Einzelheiten nachgemacht. Amerikanische Kinder bekommen einfach ihre verpackten Spielzeugflugzeuge.«
    »In Afrika teilt man Dinge. Als ich beispielsweise zur Schule ging, habe ich den roten Innenschlauch eines Autoreifens bekommen. Der war wertvoll, weil man damit Steinschleudern bauen konnte. Lange Zeit habe ich Stücke von meinem kostbaren roten Autoschlauch anderen Kindern gegeben, damit sie damit Steinschleudern machen konnten. Wenn man in den USA etwas Wertvolles bekommt, behält man es für sich selbst und teilt es nicht. Außerdem würde in Amerika niemand wissen, was man mit einem Autoschlauch anfangen kann.«
    »Die größte Veränderung, auf die ich mich beim Umzug von Neuguinea in die Vereinigten Staaten einstellen musste, war der Mangel an Freiheit. In Neuguinea genießen Kinder viel mehr Freiheit. In den USA durfte ich nicht auf Bäume klettern. In Neuguinea war ich immer auf Bäume geklettert, und ich klettere noch heute gern auf Bäume. Als mein Bruder und ich wieder nach Kalifornien kamen und dort in unser Haus zogen, kletterten wir als Erstes auf einen Baum und bauten ein Baumhaus; andere Familien fanden das seltsam. In den USA gibt es aus Angst, verklagt zu werden, so viele Regeln und Vorschriften, dass Kindern die Gelegenheit, selbst etwas zu erforschen, verloren geht. Ein Swimmingpool muss eingezäunt sein, damit er kein ›attraktives Ärgernis‹ darstellt. Die meisten Neuguineer haben keinen Swimmingpool, aber auch an den Flüssen, die wir häufig aufgesucht haben, standen keine Schilder mit der Aufschrift ›Springen auf eigene Gefahr‹, denn das liegt doch auf der Hand. Warum sollte ich springen, wenn ich nicht bereit bin, die Folgen zu tragen? In den USA hat man den handelnden Personen die Verantwortung abgenommen und auf den Eigentümer des Grundstücks oder den Erbauer des Hauses verlagert. Die meisten Amerikaner wollen so weit wie möglich nicht selbst Verantwortung

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