Vermisst: Thriller (German Edition)
und ab. Einige Hafenarbeiter eilten am Kai entlang in Richtung Gabelstapler.
Mein Vater hob warnend die Hand. »Er ist bewaffnet.«
Die Männer stoppten und sahen sich nach den anrollenden Streifenwagen um. »Was können wir tun?«, fragte einer. Ein anderer rannte zurück und rief nach einer Winde und Ketten, um den Gabelstapler zu sichern.
Mein Vater ließ den Pick-up nicht aus den Augen. »Dafür haben wir keine Zeit.«
»Wieso?«
»Weil Jesses Wagen nicht mehr lange hält.«
Wie zur Bestätigung ächzte der aufgespießte Pick-up. Christian fuhr die Gabel immer wieder auf und ab, um ihn abzuschütteln. Das Auto kippte noch ein Stück weiter nach vorn. Ich hörte Georgie schreien.
Jesse ließ die Eisenstange fallen und warf sich mit der Schulter gegen das Fenster, das krachend auf die Ladefläche stürzte.
Rio stöhnte und rief immer wieder um Hilfe.
Christian stieß die Kabinentür auf. Mit der Waffe in der Hand lief er zur Vorderseite des Gabelstaplers. Rasch drückte Jesse Georgie nach unten.
Christian fuchtelte mit den Armen. »Du willst wissen, was mit mir los ist? Du sollst verrecken, das ist los!«
Rio hörte auf, mit den Beinen zu strampeln. Ihr ganzer Körper erschlaffte, als sie beobachtete, wie er die Pistole in den Gürtel steckte, vorn auf den Gabelstapler kletterte und auf die Ladefläche des Pick-ups sprang. Der Wagen ächzte unter seinem Gewicht.
»Gütiger Himmel«, flüsterte mein Vater.
Christian beugte sich über Rio, packte sie an den Haaren und riss ihren Kopf zurück, sodass sie ihm ins Gesicht sehen musste. »Ich bin so gut wie tot«, fauchte er.
Mit letzter Kraft hob sie die Hände. Vielleicht wollte sie ihn abwehren, vielleicht war es eine Bitte. Er knirschte mit den Zähnen und bewegte die Lippen, brachte aber nur noch ein Stöhnen heraus. Speichel lief ihm übers Kinn.
Ich ging auf ihn zu. Mein Vater griff nach meinem Arm, aber diesmal ließ ich mich nicht aufhalten.
»Christian«, sagte ich, »sie kommen. Es ist vorbei.«
Verzweiflung legte sich über sein Gesicht, als er die Streifenwagen und die Hafenarbeiter entdeckte, die sich in sicherer Entfernung formiert hatten. Er schüttelte den Kopf. In diesem Moment drang ein Klicken aus der Kabine des Pick-ups. Der Hahn einer Waffe wurde gespannt.
Langsam drehte Christian sich um. Jesse zielte mit Lily Rodriguez’ Revolver auf seinen Kopf.
»Ich treffe«, sagte er.
Christian blickte von Jesse zu seiner Mutter.
»Bitte«, flüsterte sie.
Er schüttelte den Kopf. »Du hast mich auf dem Gewissen.«
Dann zog er die Pistole aus dem Gürtel, hielt sie sich an die Schläfe und drückte ab.
Die Wucht des Schusses schleuderte Christian zur Seite. Er flog gegen die Ladeklappe und wirbelte durch die Luft. Der Pick-up vibrierte unter dem Aufprall. Wir standen wie gelähmt. Das Echo des Schusses hallte uns noch in den Ohren, als wir den Körper auf dem Wasser aufschlagen hörten.
Rio schluchzte hilflos auf.
Der Pick-up ächzte erneut. Die Hafenarbeiter riefen nach schwerem Gerät, aber wir hatten keine Zeit, auf sie oder die Polizei zu warten.
Ich packte meinen Vater am Arm. »Auf der Ladefläche liegt ein Seil.«
Trotz der Schmerzen in seinem verletzten Knie kletterte er vorn auf den Gabelstapler und von dort auf die Ladefläche des Pick-ups. Ich folgte ihm auf dem Fuß, blieb aber auf den Zinken der Gabel, um den Wagen nicht zusätzlich mit meinem Gewicht zu belasten. Rio Sanger hing direkt unter mir. Mein Vater löste das Seil von den Haken und tastete sich zur Heckscheibe vor.
»Kannst du einen Palstek?«, fragte er Jesse. Als alter Seebär beherrschte er selbst natürlich jeden Knoten.
»Ja.«
Jesse zog Georgie hoch, die glücklicherweise nicht gesehen hatte, wie sich Christian das Gehirn herausblies. Schnell legte er ihr das Seil um die Taille und verknotete es.
»Ich hab Angst«, sagte sie.
»Keine Sorge. Phil hält dich.«
Mein Vater ging in die Hocke und streckte ihr die Hand hin. »Komm, Kleines.«
Mit angespannter Miene schob sich Georgie zum Fenster hinauf. Mein Vater überprüfte den Knoten und warf mir das Seil zu.
»Befestige es am Kai, Kit.«
Der Pick-up geriet ins Rutschen. Metall kreischte, und dann kippte das Vorderende einen halben Meter nach unten. Georgie schrie auf, und ich musste mich an die Ladeklappe klammern, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren.
Jesse stabilisierte Georgie, damit sie den Wagen nicht durch eine unbedachte Bewegung noch weiter ins Rutschen brachte. Wir starrten uns
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