Vermisst: Thriller (German Edition)

winkte der Manga-Barbie vor der Tür zu. »Kani?«
    Sie unterbrach ihr Telefongespräch. »Fertig?«
    »Nein, ich hätte da eine Computerfrage. Was tut man …« Wenn man keine Ahnung hat? »Wenn der Bildschirm schwarz wird, und ›Root‹ angezeigt wird?«
    Verblüfft rückte sie ihre Brille zurecht. »Tippen Sie ›Logout‹ ein«, schlug sie vor, nachdem sie eine Kollegin konsultiert hatte.
    »Danke.«
    Für einen Moment blieb der Bildschirm schwarz. Dann vervielfältigten sich die winzigen weißen Buchstaben zu langen Strings, die den Bildschirm füllten und immer weiter liefen. Ich wagte es nicht, die Tasten zu berühren. Die Buchstaben bildeten Wörter und absurde Sequenzen, die immer schneller über den Monitor rasten. Das Alphabet lief Amok.
    Plötzlich versiegte der Strom. Unterhalb des Textwusts flammte ganz unten am Bildschirm ein einziges Wörtchen auf.
    Loading_
    Mir stockte der Atem. Die Maschinenschrift verschwand, und auf dem Display wurde ein Video eingeblendet. Vor mir erschien meine gar nicht so gute Freundin Jakarta Rivera.
    »Du bist also auf der Suche nach dem Riverbend-Dossier.«
    Sie sprach mit einer eisigen Ruhe, die mir Schauer über den Rücken jagte. Die Manga-Barbie schielte neugierig in meine Richtung. Ich fischte einen Kopfhörer aus meinem Rucksack und stöpselte ihn ein, damit sie nicht mithören konnte. Jax’ Stimme klang schneidend.
    »Überleg dir gut, worauf du dich einlässt. Denn hier geht es zur Sache.«
    Sie thronte in einem Raum mit Teakholztäfelung, der von den Wandleuchtern hinter ihr in bernsteinfarbenes Licht getaucht wurde. Staatsmännisch hatte sie die Hände auf dem Schreibtisch gefaltet. Perlenohrringe und -kette ergänzten ein schwarzes Kostüm mit gewagtem Ausschnitt, das hochoffiziell wirkte. Sie verströmte eine Aura katzenhafter Selbstsicherheit, und in ihren Augen loderte ein geradezu mordlüsternes Feuer. Sie sah aus wie eine Mischung aus Condoleezza Rice und Uma Thurman in Kill Bill.
    »Wenn du aussteigen willst, wirf den Stick aus«, fuhr sie fort. »Du hast zehn Sekunden. Danach ist es zu spät.«
    Langsam holte ich Luft. Riverbend. Das Wort hatte ich in letzter Zeit mehrfach gehört. Von Tim North. Und von der rauchigen Stimme am Handy eines Toten. Ich war dabei.
    »Also gut. Du hast es nicht anders gewollt. Sieh zu, was du mit dem ganzen Dreck anfängst.«
    Ihr Gesichtsausdruck hatte sich nicht verändert, aber in ihrer Stimme lag Bedauern. Vielleicht hatte sie das Video gar nicht für mich gedreht.
    »Als ich vor zwölf Jahren nach Kolumbien flog, hatte ich keine Ahnung, dass das mein letzter Einsatz im Dienst der Regierung sein würde – obwohl ich als NOC eingesetzt und ganz auf mich gestellt war.«
    NOC stand für Non-Official Cover, eine Undercover-Operation ohne jegliche diplomatische Rückendeckung. Erneut überlief es mich kalt.
    »Viele Monate lang lief alles gut. Ich sammelte Informationen. Ausschließlich Human-Intelligence-Arbeit mit menschlichen Quellen. Darin war ich top, das zeigen Film- und Fotomaterial. Ich war eine wackere Kämpferin im Krieg gegen die Drogen – bis zu dem Augenblick, wo alles den Bach runterging.«
    Ihre Züge blieben eisig. »Du bekommst das gesamte Material zu sehen, aber du musst dafür arbeiten.«
    Ich beugte mich vor.
    »Als du ›Logout‹ eingetippt hast, hat der USB-Stick ein Programm auf deiner Festplatte installiert. Nachdem die zehn Sekunden Bedenkzeit verstrichen waren, wurde es aktiviert.«
    Das klang gar nicht gut.
    »Im Augenblick wird das Programm geschrieben, das du brauchst, um die Riverbend-Datei zu entschlüsseln. Allerdings befindet sich nur ein Teil der Informationen auf diesem Stick. Den Rest musst du dir holen.«
    Oh nein! Ich wollte nirgends mehr hin. Die Sache sollte endlich vorbei sein. Bevor mein Vater verdurstete, bevor die Polizei meine Spur aufnahm und mich verhaftete.
    »Jax, das kannst du mir nicht antun.«
    »Ein weiterer Teil des Quellcodes liegt auf einem zweiten Stick. Solltest du den nicht rechtzeitig finden, wird alles, was du soeben runtergeladen hast, unwiderruflich gelöscht. Mit dem Programmstart wurde der Stick an deinem Rechner formatiert und überschrieben. Alle Informationen befinden sich jetzt ausschließlich auf deinem Computer. Die Daten können weder kopiert noch als Anhang versandt werden.«
    Leise fluchte ich vor mich hin.
    Ein merkwürdiges Licht flackerte in ihrem Blick.
    »Allein sind sie wertlos. Ohne den nächsten Teil des Quellcodes wird alles auf deinem