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Veronica beschließt zu sterben

Veronica beschließt zu sterben

Titel: Veronica beschließt zu sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paulo Coelho
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aufzufangen.
Während der Fahrt nahm das Herzrasen ab, und ihre
Körpertemperatur wurde wieder normal.
»Es geht mir schon besser«, sagte sie zu ihrem Mann.
»Wahrscheinlich ist mir etwas auf den Magen geschlagen.«
Als sie zu Hause ankamen, war die Welt wieder die alte,
die, die sie von Kindheit an kannte. Als sie ihren Mann zum
Telefon gehen sah, fragte sie, was er tun wolle.
»Einen Arzt rufen.«
»Das ist nicht nötig. Schau mich an, es geht mir wieder
gut.«
Farbe war in ihr Gesicht zurückgekehrt, das Herz schlug
normal, und die unkontrollierbare Angst war verschwunden.
    Mari schlief in dieser Nacht sehr tief und wachte mit der
Gewißheit wieder auf, daß jemand ihr eine Droge in den
Kaffee getan haben mußte, den sie vor dem Kino getrunken
hatte. Da hatte sich jemand einen gefährlichen Jux erlaubt,
und am Spätnachmittag war sie wild entschlossen, einen
Staatsanwalt anzurufen und mit ihm in die Bar zu gehen,
um den Schuldigen zu finden.
    Sie ging zur Arbeit, bearbeitete einige rechtshängige Prozesse, versuchte sich mit den unterschiedlichsten Angelegenheiten zu beschäftigen. Das Erlebnis vom Vortag steckte
ihr noch in den Knochen, und sie mußte sich selbst beweisen,
daß es sich nicht wiederholen würde.
    Sie diskutierte mit einem ihrer Partner über den Film
über El Salvador und erwähnte nebenbei, daß sie das tägliche Einerlei leid sei.
    »Vielleicht ist der Zeitpunkt gekommen, in Rente zu gehen.«
»Sie sind eine unserer Besten«, sagte der Partner, »und
der Anwaltsberuf ist einer der wenigen, in dem das Alter
sich positiv auswirkt. Warum nehmen Sie nicht einen längeren Urlaub? Ich bin sicher, Sie kommen gestärkt und mit
neuem Elan zurück.«
»Ich möchte meinem Leben eine andere Wendung geben.
Ein Abenteuer erleben, anderen helfen, etwas tun, was ich
noch nie getan habe.«
Die Unterhaltung endete hier. Sie ging hinunter auf den
Platz in ein Restaurant, das teurer war als das, in dem sie
gewöhnlich zu Mittag aß. Und kam früher wieder ins Büro
zurück. Damit begann ihr Rückzug.
Die anderen Mitarbeiter waren noch nicht zurückgekommen, und Mari nutzte die Zeit, um die Akten zu bearbeiten, die auf ihrem Tisch lagen. Sie öffnete die Schublade,
um einen Kugelschreiber herauszuholen, den sie immer an
denselben Platz legte, fand ihn aber nicht. Der Gedanke
durchfuhr sie, daß der verlegte Kugelschreiber möglicherweise ein Indiz dafür war, daß sie nicht mehr normal sei.
Und schon begann ihr Herz wieder zu jagen, und der
Schrecken des vorangegangenen Abends kehrte wieder mit
aller Kraft zurück.
Mari war wie gelähmt. Die Sonne schien durch die Fensterläden und gab allem eine andere, lebendigere, grellere
Farbe, sie aber hatte das Gefühl, in der nächsten Minute zu
sterben. Alles hier war vollkommen fremd. Was machte sie
überhaupt in diesem Büro?
>Mein Gott, ich glaube nicht an Dich, aber hilf mir!<
Ihr brach wieder der kalte Schweiß aus, und sie merkte,
daß sie ihre Angst nicht in den Griff bekam. Wenn jemand in
diesem Augenblick hereingekommen wäre, hätte er ihren
erschreckten Blick bemerkt, und das wäre das Ende gewesen.
>Kühle Luft.<
Die kühle Luft hatte ihr gestern gutgetan. Doch wie sollte
sie auf die Straße gelangen? Wieder spürte sie genau, was mit
ihr geschah: Sie spürte den Rhythmus ihres Atems (es gab
Augenblicke, da fühlte sie, daß, wenn sie nicht bewußt einund ausatmete, ihr Körper außerstande war, dies von allein
zu tun), die Bewegung des Kopfes (die Bilder wechselten
ihren Platz, als würde sich eine Fernsehkamera drehen), das
Herz, das immer schneller schlug, den in eiskalten, klebrigen
Schweiß gebadeten Körper.
Und die Angst. Die unerklärliche, immense Angst davor,
etwas zu tun, einen Schritt zu machen, den Raum zu verlassen.
>Es geht wieder vorbei.<
Es war gestern auch vorbeigegangen. Doch jetzt war sie
an ihrem Arbeitsplatz. Was sollte sie tun? Sie sah auf die
Uhr, die ihr ebenfalls wie ein absurder Mechanismus vorkam mit ihren zwei Zeigern, die um dieselbe Achse kreisten
und aus unerfindlichen Gründen die Zeit in Zwölfereinhei-ten
maßen statt in Zehner- wie alle anderen Maße.
>Ich darf über diese Dinge nicht nachdenken. Sie machen
mich verrückt.<
Verrückt. Genau, vielleicht wurde sie ja verrückt. Mari
nahm all ihre Kraft zusammen, erhob sich und ging ins Bad.
Zum Glück war das Büro noch immer leer, und es gelang
ihr, in einer Minute dorthin zu kommen - in einer Minute,
die ihr wie eine Ewigkeit vorkam. Sie

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