Veronica beschließt zu sterben
hinaufraste, um gleich darauf wieder herunterzusausen und sich auf dem Asphalt wiederzufinden.
KRACH !
>Ich hatte einen Unfall.<
Er wollte sich umdrehen, weil sein Gesicht in den Asphalt
gepreßt war, doch er merkte, daß er keine Kontrolle über
seinen Körper hatte. Er hörte Bremsen quietschen,
schreiende Menschen. Jemand kam und versuchte ihn zu
berühren. Dann hörte er sofort den Ruf: »Den Verunglückten
nicht anfassen! Wenn jemand ihn bewegt, kann er für den
Rest seines Lebens zum Krüppel werden!«
Die Sekunden vergingen langsam, und Angst kroch in
Eduard hoch. Im Gegensatz zu seinen Eltern glaubte er an
Gott und an ein Leben nach dem Tod, trotzdem fand er es
ungerecht, mit 17 Jahren in einem Land zu sterben, das nicht
sein eigenes war, und dabei den Asphalt anzuschauen.
»Geht es Ihnen gut?« hörte er eine Stimme fragen.
Nein, es ging ihm nicht gut, er konnte sich weder bewegen
noch etwas sagen. Das schlimmste war, daß er das Bewußtsein nicht verlor, genau wußte, was passierte. Warum
wurde er nicht ohnmächtig? Hatte denn Gott kein Erbarmen
mit ihm, gerade in einem Augenblick, da er Ihn allen
Widrigkeiten zum Trotz und mit ganzer Seele suchte?
»Die Ärzte kommen jeden Augenblick«, flüsterte jemand
und ergriff seine Hand. »Ich weiß nicht, ob Sie mich hören
können, aber seien Sie ganz beruhigt. Es ist nichts Schlimmes.«
Ja, er konnte es hören, er hätte gern gewollt, daß dieser
Mensch - es war ein Mann - weiterredete, ihm versicherte,
daß es nichts Schlimmes war, obwohl er erwachsen genug
war, um zu wissen, daß sie das immer sagten, wenn es besonders schlecht stand. Er dachte an Maria, an die Kristallberge voller positiver Energie - im Gegensatz zu Brasilia,
das er in seinen Meditationen stets als die höchste Konzentration negativer Energie erfahren hatte.
Aus Sekunden wurden Minuten, Leute versuchten ihn zu
trösten, und zum ersten Mal, seit er gestürzt war, spürte er
Schmerzen. Einen heftigen Schmerz, der aus dem Zentrum
seines Kopfes in seinen ganzen Körper ausstrahlte.
»Sie sind da«, sagte der Mann, der seine Hand hielt.
»Morgen fahren Sie wieder Rad.«
Doch am nächsten Tag lag Eduard im Krankenhaus. Beide
Beine und ein Arm waren eingegipst, und er mußte einen
ganzen Monat so liegenbleiben und zuhören, wie seine
Mutter den ganzen Tag lang schluchzte, sein Vater aufgeregte Telefonate führte, während die Ärzte nicht müde
wurden zu wiederholen, daß die entscheidenden 24 Stunden
überstanden seien und keine Gehirnverletzung vorliege.
Die Eltern riefen bei der amerikanischen Botschaft an,
die, weil sie kein Vertrauen in die staatlichen Krankenhäuser
hatte, über einen eigenen High-Tech-Unfalldienst sowie eine
Liste brasilianischer Ärzte verfügte, die amerikanische
Diplomaten behandeln durften. Hin und wieder stellten die
Amerikaner diese Dienste auch ihren Kollegen zur Verfügung.
Die Amerikaner brachten ihre Geräte, die auf dem allerneuesten Stand waren, machten zehnmal so viele Untersuchungen und neue Tests, die letztlich wie immer die
Diagnosen und Therapien der staatlichen Krankenhausärzte
bestätigten.
Die Ärzte des staatlichen Krankenhauses mochten gut sein,
doch die brasilianischen Fernsehprogramme waren genauso
schlecht wie anderswo auf der Welt, und Eduard langweilte
sich. Maria kam immer seltener ins Krankenhaus - vielleicht
hatte sie einen anderen Gefährten gefunden, der mit ihr zu
den Kristallbergen fuhr.
Im Gegensatz zu seiner Freundin besuchten der Botschafter und seine Frau ihn täglich, doch sie weigerten sich,
ihm seine portugiesischen Bücher mitzubringen, mit dem
Argument, sie würden sowieso bald versetzt und er werde
diese Sprache bald nicht mehr brauchen. Daher gab sich
Eduard damit zufrieden, mit den anderen Kranken zu reden,
mit den Krankenpflegern über Fußball zu debattieren und
die eine oder andere Zeitschrift zu lesen, die ihm in die
Hände fiel.
Bis ihm einer der Krankenpfleger ein Buch mitbrachte,
das er geschenkt bekommen hatte, aber zu dick fand, um es
zu lesen. Von diesem Augenblick an führte das Leben
Eduard auf einen merkwürdigen Weg, der ihn am Ende nach
Villete brachte, zur Abkehr von der Realität und vom Leben
anderer junger Männer in seinem Alter.
Das Buch handelte von Visionären, die die Welt erschütterten, von Leuten, die eine eigene Vorstellung vom irdischen Paradies besaßen und ihr Leben der Aufgabe gewidmet hatten, sie mit ändern zu teilen. Es handelte von
Jesus Christus,
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