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Veronica beschließt zu sterben

Veronica beschließt zu sterben

Titel: Veronica beschließt zu sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paulo Coelho
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angegriffen.«
»Unmöglich«, entgegnete empört der Botschafter. »Die
Vertrauensärzte der Amerikaner haben ihn doch untersucht.«
Die Frau erzählte, was sie gehört hatte.
»Das ist ganz normales jugendliches Aufbegehren. Wart's
nur ab, alles wird wieder gut.«
    Dieses Mal führte das Warten zu nichts, denn Eduard hatte
es eilig, mit dem Leben zu beginnen. Zwei Tage später
schrieb er sich, nachdem er keine Lust mehr hatte, auf eine
Entscheidung der Freundinnen seiner Mutter zu warten,
selbst in einen Malkurs ein. Begann Farb- und Perspektivlehre zu studieren, begann aber auch mit Leuten zusammen
zu sein, die nie über Turnschuhmarken und Automodelle
redeten.
    »Er ist mit Künstlern zusammen!« jammerte die Mutter
dem Botschafter vor.
»Laß den Jungen«, antwortete der Botschafter. »Irgendwann hat er genug davon, wie von seiner Freundin, den
Kristallen, den Pyramiden, den Räucherstäbchen und dem
Marihuana.«
Doch die Zeit verging, und Eduards Zimmer verwandelte
sich in ein improvisiertes Atelier mit Bildern, die seinen
Eltern überhaupt nichts sagten: Es waren Kreise, exotische
Farbkombinationen, primitive Symbole vermischt mit betenden Gestalten.
Eduard, der einsame Junge, der in den zwei Jahren in Brasilia nie Freunde heimgebracht hatte, füllte nun das Haus
mit merkwürdigen, schlecht gekleideten Leuten mit zerzausten
Haaren, die scheußliche Platten in voller Lautstärke hörten,
haltlos rauchten und tranken und schlechte Manieren an den
Tag legten. Eines Tages bestellte die Direktorin der
Amerikanischen Schule die Botschaftergattin zu einem
Gespräch.
»Ihr Sohn muß mit Drogen in Kontakt gekommen sein«,
sagte sie. »Seine schulischen Leistungen sind miserabel, und
wenn er so weitermacht, können wir ihn nicht auf der Schule
behalten.«
Die Frau begab sich sofort ins Büro des Botschafters und
berichtete, was sie gerade gehört hatte.
»Du sagst die ganze Zeit, daß alles wieder gut wird!«
schrie sie hysterisch. »Dein Sohn ist drogensüchtig, verrückt, hat einen schweren Hirnschaden, während du dich nur
um Cocktails und Empfänge kümmerst.«
»Leiser, bitte«, bat er.
»Ich rede überhaupt nicht leiser, nie mehr in meinem
Leben, solange du deine Haltung nicht änderst! Dieser Junge
braucht Hilfe, verstehst du? Ärztliche Hilfe! Tu endlich was!«
Aus Angst, der Aufstand seiner Frau könnte ihn bei seinen
Angestellten in ein schlechtes Licht rücken, aber auch weil
ihm Eduards Malfimmel zu weit ging, überlegte sich der
Botschafter als praktischer und gewiefter Mensch eine
Strategie, um das Problem in den Griff zu bekommen.
Zuerst rief er seinen amerikanischen Kollegen an und bat
ihn, erneut die medizinischen Dienste der Botschaft beanspruchen zu dürfen. Der Bitte wurde entsprochen.
Er ging zu den bei der amerikanischen Botschaft akkre-
ditierten Ärzten, erklärte ihnen die Lage und bat darum, die
Ergebnisse der damals gemachten Untersuchungen noch
einmal durchzusehen. Die Ärzte, die befürchteten, es könnte
ihnen ein Prozeß gemacht werden, erfüllten seinen Wunsch
und kamen zum Schluß, daß alles normal war. Bevor der
Botschafter ging, ließen ihn die Ärzte ein Dokument unterzeichnen, wonach er die amerikanische Botschaft nicht
dafür haftbar machte, ihn an ihre Vertrauensärzte verwiesen
zu haben.
Anschließend begab sich der Botschafter ins Krankenhaus, in dem Eduard behandelt worden war. Er sprach mit
dem Direktor, setzte ihm das Problem seines Sohnes auseinander und bat, Eduard unter dem Vorwand eines Routine-Check-ups einem Drogentest zu unterziehen.
Das geschah. Keine Spur von einer Droge.
    Jetzt blieb noch der dritte Teil der Strategie: mit Eduard
reden und herausfinden, was los war. Nur wenn er alle Informationen hatte, konnte der Botschafter eine angemessene
Entscheidung treffen.
    Vater und Sohn nahmen im Wohnzimmer Platz.
»Du machst deiner Mutter Sorgen«, sagte der Botschafter.
»Deine Noten sind schlechter geworden, es besteht die
Gefahr, daß du von der Schule gehen mußt.«
»Meine Malnoten werden dafür immer besser, Vater.« »Ich
finde dein Interesse an der Kunst zwar sehr schön, doch du
hast noch das ganze Leben vor dir, um malen zu können. Im
Augenblick geht es darum, die Oberstufe ab-
zuschließen, damit ich dich in die diplomatische Laufbahn
bringe.
Eduard dachte lange nach, bevor er etwas sagte. Er ließ
den Unfall noch einmal vor seinem inneren Auge ablaufen,
dachte an das Buch über die Visionäre, das im Grunde nur
ein Vorwand gewesen

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