Verplant verliebt
vornehmen. Nein, Marie brauchte noch etwas Spektakuläreres.
Ein „Pling“ meldete eine neue Nachricht in ihrem Posteingang. Wäre hilfreich, wenn sich Geistesblitze auch mit einem Geräusch ankündigen würden, dachte Marie. Dann öffnete sie die Mail von Matchmaker: „Sie haben eine neue Antwort von OléOle.“ Marie klickte neugierig auf den Link, der zu der Mail führte und las:
Hallo Witchcraft,
was mich zu deinem 98-prozentigen Traummann macht? Mich interessiert mindestens genauso sehr, was dich zu 98 Prozent perfekt für mich macht. Hast du einen Vorschlag, wie wir beides herausfinden können?
Ole
Er hieß also tatsächlich Ole. Marie fand seine Zeilen charmamt und schrieb:
Hallo Ole,
Ich würde vorschlagen, wir nehmen einfach alles akribisch auseinander, zerlegen unsere Charaktereigenschaften in kleine Bruchstücke und eruieren, was die hier prognostizierte Kompatibilität ausmacht. Was hältst du davon?
Witchcraft
Marie musste grinsen. Ole würde ihren Vorschlag wahrscheinlich nicht ernst nehmen, doch Marie plante genau eine solche Analyse. Sie ging in die Küche, um sich einen Gute-Nacht-Kakao zu machen.
Gerade als sie die warme Milch auf das Kakaopulver gegossen und umgerührt hatte, machte es im Wohnzimmer wieder „Pling“. Marie flitzte zurück. Anscheinend hatte es Ole nicht eilig, ins Bett zu kommen. Sie las seine Nachricht:
Oh, eine echte Romantikerin! Ich gehe für gewöhnlich ein wenig emotionaler an Beziehungsfragen heran. Das wäre also schon mal die erste Abweichung. Ist das einer der beiden Prozentpunkte, die uns zum Traumpaar fehlen, oder verfahren die hier nach der Devise „Gegensätze ziehen sich an“? Was meinst du?
Marie antwortete, ohne lange nachzudenken, und eine Mail ergab die nächste.
Also ich stelle mir einen Mann, der genauso ist wie ich, eher gruselig als Partner vor. Hoffentlich arbeiten die hier mit einer Mischung aus Gegensätzen und Ähnlichkeiten. Wie soll deine Partnerin denn sein? Dann kann ich dir sagen, ob diese Eigenschaften auf mich zutreffen.
Witchcraft
Mir stellt sich erst einmal die dringende Frage, was denn an deinem männlichen Zwilling am gruseligsten wäre? Und erleichtert es dir nicht das Schummeln, wenn ich jetzt meine Traumfrau beschreibe? :-)
Gruß Ole
An meinem Zwilling würde mich wohl die Neigung, alles durchzuplanen, wahnsinnig machen. Ich brauche eher jemanden, der mich spontan mitreißt. Was ist das außerdem für ein Vorwurf, ich würde schummeln wollen?! Ich will nur einen Soll-Ist-Vergleich durchführen und bin ehrlich genug zu sagen, wenn etwas nicht auf mich zutrifft. Also her mit der Wunschliste! Aber jetzt muss ich ins Bett. Ich wünsche dir zauberhafte Träume.
Gute Nacht!
Witchcraft
Marie nahm den letzten Schluck Kakao und raffte sich vom Sofa auf. Plötzlich kam ihr das Mailen mit unbekannten Männern gar nicht mehr so falsch vor. Dieser Ole schien sehr nett zu sein.
13
Das wohlige Gefühl, mit dem Marie am Morgen aufgewacht war, hatte sich schnell verflüchtigt. Gerade hatte sie sich noch beim Blick aus dem Fenster gefreut, dass sie ihr neues rot-geblümtes Sommerkleid würde anziehen können, dann hatte sie sich wieder an Karlos unverfrorene Showeinlage vom Vorabend erinnert. Hallo schlechte Laune.
An diesem Tag würde sie nachholen, was sie tags zuvor wegen der neugierigen Blicke ihrer Mutter nicht hatte tun können. Sie würde ihn zur Rechenschaft ziehen. Dafür, dass er einfach so die Einladung zum Rebmann’schen Sonntagskaffee angenommen hatte – und natürlich für den unerhörten Kuss.
Jetzt saß sie im Büro und schaute immer wieder zur Tür. Bislang waren nur Sandra und Albert eingetroffen. Ein Vögelchen zwitscherte durch das offene Bürofenster und Marie hätte am liebsten „Ruhe“ gebrüllt. Noch war Karlo nicht aufgetaucht, aber in ihr brodelte es derart, dass ihre aufgewühlten Gefühle nicht einmal durch den Geruch des Sommers, der hereinwehte, besänftigt werden konnten. Um kurz nach neun kam endlich das Objekt ihrer Wut durch die Tür, grüßte alle mit einem lauten „Moin“ und setzte sich lächelnd an seinen Tisch. Was hatte der zu lächeln? Das würde ihm schon noch vergehen.
Marie konnte nicht länger warten: „Karlo, hättest du eine Sekunde?“ Sie deutete zum Flur.
„Was gibt es denn, Marie?“, fragte Karlo mit einer Naivität, die nur gespielt sein konnte.
„Unser Projekt, das gibt es.“
„Oh ja, da sollten wir uns
Weitere Kostenlose Bücher