Verplant verliebt
würde. Beide zur gleichen Zeit von der Party weggehuscht, ein heftiger Streit im Büro, sie eifersüchtig. Moment mal. War sie eifersüchtig? Nein, natürlich nicht! Sie fand es einfach nur unpassend, wie er sich verhielt. Aber sie würde sich künftig zusammenreißen müssen. Atmen, lächeln, ignorieren. Und arbeiten. Es war an der Zeit, dass sie sich wieder den Onlineportalen zuwandte.
Das Matching würde sie sich heute noch einmal genauer anschauen. Sie loggte sich bei Matchmaker ein und wiederholte die Suchanfrage, die sie gestern zu dem Traummann mit Halbglatze geführt hatte. Es galt, sachlich zu ergründen, warum er der Auserwählte dieser Plattform sein sollte.
Doch das Suchergebnis hatte sich verändert. Der Haarkranztyp war auf Platz zwei gerutscht, verdrängt von einem Mann, der eine 98-prozentige Übereinstimmung mit Marie hatte. Sie spürte, wie sich Spannung in ihr breitmachte. Reine fachliche Neugierde, da war sie sicher.
Marie klickte auf das Profil von OléOle und ein charmant lächelnder Mann mit kurzen blonden Haaren baute sich vor ihr auf. Sexy Typ. Sie schaute auf den Fragenkatalog, um herauszufinden, was der für sie Auserwählte so zu sagen hatte. Von einer Beziehung wünschte er sich „... dass man einander so nimmt wie man eben ist, mit all seinen kleinen Macken.“ Kein Problem, dachte Marie. Sie selbst war ja überaus tolerant. Gar nicht leiden mochte er, „wenn eine Frau im Streit anfängt, irrational zu werden.“ Marie wusste, das konnte mit ihr nicht passieren. Sie war die Vernunft in Person. Sie las weiter. „Das Besondere an mir ist, dass ich mehr als 120 Zeichen brauche, um meine vielfältigen Besonderheiten zu beschreiben.“ Humor und Selbstbewusstsein hatte er also auch. Was noch? Er war 34 Jahre alt, 1,93 Meter groß, Nichtraucher und wohnte in Stuttgart. Als Beruf gab er etwas vage Akademiker an. Er mochte japanisches Essen, Quentin Tarantino, den Winter und fuhr gerne Fahrrad. So weit, so gut, dachte Marie, doch mehr verriet seine Profilseite nicht. Marie wollte es genauer wissen und klickte auf den Button „Nachricht schicken“. Sie schrieb:
Hallo Unbekannter,
ich frage mich gerade, was dich zu 98 Prozent mit mir verbindet? Hast du Interesse daran, das gemeinsam herauszufinden?
Neugierige Grüße
Witchcraft
Zufrieden klickte Marie auf „Senden“. Dann sah sie auf ihre Uhr und erschrak. Ihre Mutter würde sicher schon auf sie warten und Backrezepte mit Nicole vom Empfang austauschen, ob Nicole wollte oder nicht. Auf dem Weg nach draußen ging Marie an Sandra und Albert vorbei, die knutschend in der Kaffeeecke standen. Sie schienen ihren Streit beigelegt zu haben. Marie wünschte, sie würden ihr Liebesspiel an einen Ort außerhalb des Firmengeländes verlegen. Das war eindeutig zu privat.
11
Karlo steuerte auf sein Rennrad zu, das an das Straßengeländer vor dem JCN-Gebäude gekettet war. Ihm graute schon davor, zum Killesberg hochzufahren. Wer war bloß auf die Idee gekommen, eine Stadt im Kessel zu errichten? Gott sei Dank konnte er morgens bergab fahren und kam nicht mit verschwitztem Hemd im Büro an. Karlo sah etwa hundert Meter den Fußweg hinab eine kleine Frau wie wild herumfuchteln. Als sie näherkam, erkannte er ihren roten Lockenkopf. Er überlegte kurz, ob er die Straßenseite wechseln und so tun konnte, als hätte er Maries Mutter nicht gesehen. Doch zu spät, das Winken galt eindeutig ihm.
Frau Rebmann war nur noch wenige Schritte von ihm entfernt und rief: „Hallöle, Karlo! Des isch aber a Zufall. Als hätt des Schicksal es gwollt.“
„Guten Abend, Frau Rebmann.“ Karlo wunderte sich über die herzliche Begrüßung, war ihre Tochter doch inzwischen alles andere als angetan von ihm.
„Net so förmlich. Wollet Sie mich net Magret nennen?“ Sie quasselte weiter, ohne seine Antwort abzuwarten: „Hän Sie die Sissi im Gschäft bsucht?“
„Warum besucht? Ich arbeite doch auch bei JCN.“
„Ha, dann könnet Sie sich ja 24 Stunden am Tag sehen, des isch fein. Komisch, dass Sissi des net erzählt hat.“
Soso, dachte Karlo. Hatte Marie ihre Eltern also weiterhin im Glauben gelassen, sie beide seien ein Paar.
„Es isch so schad, dass Sie net komme könnet am Sonntag. Mei Apfelkuchen isch der beschte im ganze Schwabeländle, das sag ich Ihne.“
„Sonntag?“ Karlo sah sie verwirrt an.
„Sissi hat gsagt, Sie wäred bei Ihre Eltern und könntet deswegen net mit?“ Frau Rebmann kniff die Augen zusammen, als war sie einer
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