Verplant verliebt
öffnete ihre letzte Mail und tippte ein paar Zeilen.
Als sich Marie in einen der Metallstühle im Konferenzraum fallen ließ, fragte sie sich, was die Königin wohl zu verkünden hatte. Zumindest konnte sie nicht noch einmal einen Typen aus dem Hut zaubern, mit dem Marie geschlafen hatte. Ein klarer Vorteil von Abstinenz. Langsam füllte sich der Raum. Auch Karlo kam dazu. Er sah ihr auffällig lange in die Augen, als wollte er ihr irgendetwas signalisieren, doch Marie hatte keine Lust, sich mit Karlo und dem, was in seinem Kopf vorging, zu befassen. Schon gar nicht wollte sie sich damit auseinandersetzen, was zwischen ihnen beiden vorging. Sein Gesprächsbedarf hingegen schien groß zu sein, gestern seine Anrufe und heute die wiederholte Bitte, mit ihm unter vier Augen zu sprechen. Sie hatte nur zugesagt, weil sie sehr wohl wusste, dass sie ihm nicht ewig würde ausweichen können.
Die Königin betrat den Raum und Marie widmete sich wieder der Frage des Tages: Was würde die Chefin verkünden?
„Liebe Kollegen.“ Die Königin machte eine hoheitsvolle Pause und die letzten Tuscheleien verstummten. „Was ich Ihnen jetzt mitteile, habe ich mir nicht leicht gemacht. Ich bin nun 59 Jahre alt und das Business, in dem wir arbeiten, ist ein schnelllebiges. Nachdem mein Mann vor zwei Jahren in der Nähe von Heilbronn ein Weingut geerbt hat, wuchs in mir der Wunsch, mich mehr unserem Leben auf dem Land zu widmen. So habe ich vor einem halben Jahr den Entschluss gefasst, einen fähigen Nachfolger für meine Position zu suchen und mich dann Schritt für Schritt in den Ruhestand zu verabschieden.“
Ein Raunen ging durch den Raum. Marie war entsetzt. Die Königin war eine der Schlüsselfiguren von JCN, sie ließ sich nicht einfach ersetzen. Wie Marie starrten die meisten Kollegen die Königin ungläubig an, einige äußerten leise ihren Unmut.
Die Königin lächelte. „Aber, aber“, sagte sie. Dann sah sie Karlo an, der ihr Lächeln erwiderte.
Marie blieb die Luft weg. Die letzten Worte ihrer Chefin hallten in ihrem Kopf nach. Das konnte doch nicht wahr sein!
Die Königin fuhr fort: „Und diesen fähigen Nachfolger habe ich in Karlo Winterfeld gefunden.“
Nun starrten alle Karlo an.
„Herr Winterfeld hat sich in kürzester Zeit ganz wunderbar eingefunden. Ihm ist es gelungen, in Zusammenarbeit mit Frau Rebmann, in nur zwei Wochen ein fundiertes Konzept für einen potenziellen Kunden zu erarbeiten. Selbst wenn der Vertrag noch nicht unterschrieben ist, so gehe ich doch davon aus, dass sich der Auftraggeber für uns entscheiden wird. Auch im Team hat sich Herr Winterfeld trotz anfänglicher Startschwierigkeiten äußerst gut integriert.“
Marie kochte. Mit der anfänglichen Startschwierigkeit war wohl sie gemeint. Sie war die letzte Klarsehende gewesen, die er noch auf seine Seite ziehen musste, um seine Karriere voranzutreiben. Darum hatte sich Karlo bei ihr so ins Zeug gelegt. Marie konnte es nicht fassen.
„Herr Winterfeld und ich werden gleich heute mit der Übergabe beginnen. Mein Plan ist, Ende Oktober in den Ruhestand zu gehen.“
Und mein Plan ist, für Anfang November einen neuen Job zu finden, ergänzte Marie in ihrem Kopf.
„Herr Winterfeld, wollen Sie noch etwas sagen?“
„Gerne. Ich brauche mich ja nicht mehr vorstellen, ihr kennt mich inzwischen alle. Erst einmal vielen Dank für Ihr Vertrauen, Frau König. Ich weiß, dass ich in königliche Fußstapfen trete.“ Karlo grinste und Maries verräterische Kollegen lachten dümmlich. „Ihr seid ein super Team und ich freue mich auf viele spannende Themen, die wir gemeinsam vorantreiben werden.“
Marie beschloss, noch am Abend ihren Lebenslauf auf Vordermann zu bringen. Sie wollte mit Karlo nichts mehr gemeinsam vorantreiben.
Als Karlo seine Rede beendet hatte, fingen die Kollegen wieder an zu tuscheln, doch die Königin wusste, wie sie sich Gehör verschaffen konnte: „Sie wissen ja alle, dass dieses Wochenende auch unser Teamausflug ansteht.“
Schlagartig wurde es ruhig und alle Augen richteten sich auf die Königin.
„Ich möchte Sie dieses Wochenende gerne auf unser Weingut in Ellhofen einladen. Dort werden tagsüber Workshops stattfinden, bei denen Sie Ihren Zusammenhalt als Team stärken. Sie übernachten in Weinsberg in der Pension von Maries Eltern. Leider sind unsere Gästezimmer noch nicht ganz fertig, aber Maries Eltern waren so freundlich, uns aufzunehmen.“ Die Königin lächelte Marie an, doch der fiel es schwer, das
Weitere Kostenlose Bücher