Verplant verliebt
Job ist soweit erledigt und jetzt können wir nur abwarten.“
„Kommst du denn nach Hause? Ich bin zwar selbst mit den Öffentlichen da, aber ich könnte ...“
Marie unterbrach ihn: „Danke, mir geht es schon viel besser.“
Marie wollte Karlos Hilfe nicht. Sie wollte heim, eine Kleinigkeit essen und schlafen. Sie verabschiedete sich und ging zum Parkplatz.
22
Auf dem Weg von der S-Bahn-Haltestelle zum Büro nahm Karlo seine Krawatte ab und warf sich das Jackett über die Schulter. Er war erleichtert darüber, dass die Präsentation so glatt über die Bühne gegangen war. Als er Marie am Morgen in einem der Sessel im Foyer von Edelpartner kauern gesehen hatte, war er erschrocken. Ihre milchweiße Haut war immer blass, doch an diesem Tag wirkte sie fahler als sonst und unter ihren Augen waren Schatten zu sehen. Karlo wollte sich erkundigen, wie es ihr ging, aber dann überlegte er es sich anders. Einen Wutanfall, wie er ihn schon erlebt hatte, wollte er vor den Augen des Kunden nicht heraufbeschwören. Auch wenn Marie eher erschöpft als sauer wirkte, hielt es Karlo für ratsam, sie in Ruhe zu lassen. Maries Blässe und ihre Zurückhaltung waren auch dem Schnösel nicht entgangen. Aber so konnte er sich zumindest ordentlich aufspielen. Nach dem Chauffeur schicken wollte er!
Kaum war Karlo im Büro angekommen, steckte die Königin ihren Kopf aus der Tür ihres Glaskastens und rief ihn zu sich. Sie bat ihn mit einer Handbewegung hinein und nachdem sie sich beide gesetzt hatten, sagte sie: „Ich habe eben mit Herrn von Bornheim telefoniert. Er ist begeistert von unseren Ideen.“ Die Königin grinste Karlo breit an und fuhr fort: „Ich muss sagen, Herr Winterfeld, Sie haben hier einen wirklich guten Job gemacht. Wie ich sehe, haben Sie auch die Stimmung im Team in die richtige Richtung gelenkt.“
Karlo lächelte, obwohl er der Sache mit der Stimmung nicht unbedingt beipflichten konnte. Die Königin hatte Marie heute noch nicht zu Gesicht bekommen, sonst würde sie vielleicht anders denken.
„Herr Winterfeld. Ich habe inzwischen ein sehr gutes Gefühl dabei, mein Team in Ihre Hände zu legen. Deshalb werde ich morgen verkünden, dass Sie in zwei Monaten mein Nachfolger werden.“
Karlo schluckte. Bei seiner Einstellung war vereinbart worden, dass er nach der Probezeit und den ersten Projekterfolgen ihren Platz einnehmen sollte. Doch dass dies so schnell gehen würde, hatte er nicht erwartet.
„Vielen Dank. Ich weiß Ihr Vertrauen zu schätzen.“
„Ich würde vorschlagen, wir setzen uns morgen zusammen und besprechen, wie wir die Übergabe gestalten.“
Als Karlo den Glaskasten verließ, fühlte er sich wie von einem Überfallkommando überrollt. Er freute sich auf die neue Stelle. Er hatte schon Teams geleitet und das sehr gerne getan. Aber Marie bereitete ihm Sorgen. Er würde dringend mit ihr reden müssen, über den Kuss und wie es mit ihnen weitergehen sollte – oder auch nicht weitergehen sollte, wenn er ihr Verhalten am Vorabend richtig gedeutet hatte. Wie auch immer, er war es Marie in jedem Fall schuldig, ihr persönlich zu sagen, dass er ihr neuer Chef werden würde. Karlo griff nach seinem Telefon und wählte die Nummer ihres Diensthandys. Wie erwartet ging nur die Mailbox ran. „Marie, ich muss dich dringend sprechen. Heute noch. Bitte ruf mich zurück.“
Karlo kannte Marie inzwischen gut genug, um zu wissen, dass sie ihn wahrscheinlich nicht zurückrufen würde. Er würde es später noch einmal versuchen.
23
Marie fand auch an diesem Nachmittag keinen Schlaf. Wie in der Nacht zuvor dachte sie über Karlo nach. Sie hatte inzwischen so viele Eindrücke von ihm gesammelt, dass sie nicht mehr wusste, welchen sie Glauben schenken konnte. Da half nur eine solide Plus-Minus-Aufstellung. Mit einer Liste, in der sie Karlos Eigenschaften ganz sachlich bewertete, würde sie sich Klarheit verschaffen. Marie griff nach ihrem Block und notierte als ersten Punkt „Familienmensch“. Da war der charmante Karlo, in den sich ihre Familie verliebt hatte. Doch da war auch der kurz angebundene Karlo, der nicht über seine eigene Familie sprechen wollte. Also unentschieden. Marie schrieb eine Null hinter das Wort. Dann dachte sie über Karlos Aussehen nach. Er war so eindeutig attraktiv, dass sich ein dickes Plus vor ihrem inneren Auge abzeichnete. Doch wie sagte ihre Mutter immer? „Schöne Männer hasch nie für di alloi.“ Marie dachte an Bernadette und die anderen Kolleginnen, die ihm
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