Verplant verliebt
zurückgehängt. Ihr Outfit hatte an diesem Tag gleich mehrere Anforderungen zu erfüllen: Sie musste gut darin aussehen, natürlich ausschließlich, um von Bornheim zu gefallen, wie sich Marie versicherte. Dennoch durfte es nicht zu sexy sein, denn es war immerhin noch ein Geschäftstermin. Gleichzeitig brauchte sie etwas Souveränes, damit sie Karlo mit einer, wie sie sich vorgenommen hatte, gleichgültigen Gelassenheit begegnen konnte. Sie hatte den Schock über Nacht ganz gut verarbeitet. Sie konnte sicherlich damit umgehen, dass er bald ihr neuer Vorgesetzter werden würde, zumindest bis sie einen neuen Job gefunden hatte. Zu guter Letzt durfte das Outfit nicht zu leicht knittern, damit es die Autofahrt zum Teamwochenende überstand.
Zufrieden betrachtete sich Marie im Aufzugspiegel. Die Wahl war auf ihr braunes, eng tailliertes Kostüm und die dunkelgrüne Bluse gefallen, die ihre ebenso grünen Augen betonte. Ihre Wimpern hatte sie mit akribischer Sorgfalt getuscht und ihre Haare fielen in großen Locken über ihre Schultern. Sie fühlte sich stark. Der Tag konnte kommen.
„Guten Morgen, Marie.“ Ein lächelnder Karlo kam ihr im Gang entgegen und grüßte sie unbefangen.
Maries Gelassenheit verschwand auf einen Schlag und der souveräne Gruß, den sie sich zurechtgelegt hatte, blieb ihr im Hals stecken. Groll stieg in ihr auf und Marie musste sich zusammenreißen, damit sie Karlo keine pampige Antwort gab.
Die drei IT-Nerds, die mit ihren Alf- und Star-Trek-Tassen aus der Kaffeeecke kamen, retteten Marie. Der kahlköpfige Sven sah sie an und sprach in seine Handfläche: „Erde an Weltraum, Erde an Weltraum. Wen habt ihr uns denn da gesandt? Diese Kreatur stammt eindeutig nicht von diesem Planeten.“ Die anderen glucksten mit bebenden Schultern. Marie nutzte die Gelegenheit und ging schnell an Karlo vorbei ins Büro. Das mit der Gelassenheit hatte ja ganz wunderbar funktioniert!
Als Marie ihre Mails abrief, kehrte ihr Hochgefühl zurück. Ole hatte geschrieben. Sie begann zu lesen und mit jedem Satz wuchs ihr Unbehagen. „W ir sollten unseren Kontakt einstellen.“ Enttäuschung überkam sie. „ Kontakt einstellen.“ A bserviert! Beiseite gelegt wie ein altes Spielzeug, das langweilig geworden war. Sie hatten sich so viel erzählt und er war für sie ein – wenn auch virtueller – Freund geworden. Marie dachte, ihm wäre es genauso ergangen. Er konnte doch nicht einfach verschwinden.
Doch er konnte, musste sich Marie eingestehen. So war das nun mal im Netz: unverbindlich, anonym, schnelllebig. Man musste sich noch nicht einmal in die Augen sehen, eine kleine Mail reichte, um den Kontakt abzubrechen. Marie kniff sich an den Nasenrücken und blinzelte, um aufkommende Tränen zu vertreiben. Wie hatte sie nur ihre Vorsicht vergessen können? Sie hatte es doch eigentlich gewusst. Warum hatte sie in einem blöden Mailkontakt mehr gesehen als tatsächlich da war? Ein bisschen Geplauder zwischen zwei Unbekannten, Worte, die sich in Bits und Bytes durchs Netz schlängelten, um bei einem Adressaten zu landen, von dem sie zwar Details über seine Vergangenheit, nicht aber den Nachnamen kannte. Dumme, dumme Marie.
„Marie, alles klar?“
Marie hatte nicht gemerkt, wie Karlo an ihren Schreibtisch getreten war. Konnte er sie nicht in Ruhe lassen? Sie sah kurz auf und tat dann so, als wäre sie völlig in ihre Arbeit versunken. „Mhm.“
Doch diese knappe Antwort schien Karlo nicht zu reichen. Er blieb einfach stehen.
Marie blinzelte ihre Augen trocken, streckte den Rücken durch und sah ihn wieder an. „Was kann ich für dich tun, Chef?“, fragte sie, das letzte Wort betonend.
Karlo ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. „Treffen wir uns nachher um vier beim Kunden am Empfang?“
„Ja.“ Einer ausführlicheren Antwort bedurfte es nicht, befand Marie.
„Hast du deine Sachen dann schon dabei, damit wir gleich weiter zum Teamwochenende fahren können?“ Immer noch ein geduldig höflicher Ton.
„Aye aye, Sir.“
Das hieß, Marie musste vor dem Termin noch nach Hause und Simba holen. Sie würde sie wohl oder übel die Stunde im Auto lassen müssen. Zum Glück war Simba gerade so träge, dass ihr das nichts ausmachen würde.
Als Karlo unentschlossen an Maries Schreibtisch stehen blieb, warf ihm Marie einen genervten Blick zu.
Karlo zögerte. „Ist wirklich alles klar mit dir, Marie?“
Er sah sie eindringlich an und Marie fühlte sich ertappt. Sie wollte souverän sein, über den Dingen
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