Verplant verliebt
kompletten Familienklan, in all seiner Nervigkeit, und von deiner Familie weiß ich nichts.“
„Frag, was du wissen willst.“
„Hast du Geschwister?“
„Nein, leider bin ich Einzelkind.“
„Verstehst du dich mit deinen Eltern?“
„In den vergangenen Jahren habe ich mich ein wenig von ihnen zurückgezogen, aber ich versuche gerade, das wiedergutzumachen. Um ehrlich zu sein, hat mich die Herzlichkeit deiner Familie dazu ermutigt.“
„Warum? Sind deine Eltern nicht so herzlich?“ Marie biss sich auf die Zunge. Das war keine nette Frage.
Karlo blieb stehen, als müsse er sich konzentrieren. Schließlich sagte er: „Sie sind auf ihre Art herzlich.“
„Und das heißt?“
„Schwer zu beschreiben. Du müsstest sie kennenlernen. Dann wüsstest du, was ich meine.“ Karlos Gesicht verzog sich zu einem schelmischen Grinsen. „Vielleicht ist die Idee gar nicht so schlecht. Zur Abwechslung könntest du ja mal meine Freundin spielen.“
Karlo lachte wieder und Marie wusste nicht, ob er seinen Vorschlag ernst meinte. Sie sagte: „Nur wenn ich mich daneben benehmen darf, so mit Schmatzen, Rülpsen, Lautwerden. Das normale Programm, du kennst das ja.“
„Das wird ein großer Spaß.“ Karlo nahm Marie in den Arm und sie gingen weiter.
37
Nach einer Dreiviertelstunde Fußmarsch erreichten sie die Pension. Marie hatte viel über Karlo erfahren. Er sprach von seinen Eltern, von ihrem Haus in Hamburg, von seinem Studium und seiner ersten Begegnung mit Gregor. Marie bremste Karlo nicht in seiner Erzähllaune, sondern hakte nur hin und wieder nach. Sie hatte ihn selten so gelöst erlebt oder so viel lachen gehört. Wo nur war dieser Karlo die ganze Zeit gewesen? Oder hatte sie diese Seiten bisher als bloße Anbaggermasche abgetan? Aber dieser Karlo hier war echt. Und von Anbaggern keine Spur. Von der zaghaften Umarmung in der Baumkrone und dem Händchenhalten auf dem Rückweg mal abgesehen, war er ihr bedauerlicherweise nicht nähergekommen.
„Da sind wir.“ Marie drückte die Messingklinke nach unten und war erleichtert, dass sich die Tür öffnen ließ. Ihre Eltern hatten die Pension zum Glück heute Nacht nicht abgeschlossen. Ihr eigener Schlüssel steckte in ihrer Handtasche und die lag in der Küche der Königin. Karlo und Marie schlichen die Treppe zu den Privaträumen hoch, immer noch Hand in Hand. Vor Maries Gästezimmer blieben sie stehen.
„Na dann“, läutete Karlo die Verabschiedung ein und löste seine Hand von ihrer.
Marie war enttäuscht. Warum küsste er sie nicht? Sie durchschaute diesen Mann einfach nicht. Wollte er sie nicht, weil er bald ihr Chef sein würde? Oder weil die Kollegen auch im Haus waren? Oder wollte er sie überhaupt nicht mehr?
Marie sah ihn direkt an. Karlo hob den Kopf und sie fing seinen Blick auf. Ihr widerstrebte es, in ihr Zimmer zu gehen und diesen bezaubernden Abend zu beenden. Auch Karlo machte keine Anstalten, sich zu bewegen, weder zu seinem Zimmer hin noch in ihre Richtung. Aber er hielt ihren Blick fest.
„Na dann“, wiederholte Marie Karlos Worte und schaute resigniert auf den Boden. „Ich benutze nachher das Bad meiner Eltern.“ Ihre Hand griff nach dem Knauf und sie machte einen Schritt zur Tür.
„Hey.“ Karlo fasste sie sanft am Arm und hielt sie zurück. Dann näherte sich sein Gesicht dem ihren und er gab ihr einen leichten Kuss auf die Wange. Marie blieb wie angewurzelt stehen und sah Karlo zu, wie er ein paar Schritte rückwärts ging, seinen Blick weiter auf sie gerichtet, und dann mit einem leisen „Gute Nacht“ in seinem Zimmer verschwand.
Was war das? War das ein freundschaftlicher Kuss? War das ein Kuss à la „Ich würde ja gerne, aber ich bin dein Chef und darf nicht mehr“? Oder war das ein romantischer „Wir haben alle Zeit der Welt“-Kuss?
Marie öffnete die Tür und beobachtete, wie sich Simba von ihrem Bett erhob, schlaftrunken den Rücken streckte und ihr entgegensprang. Der Katze schien es wieder besser zu gehen.
„Na, meine Süße?“ Sie nahm Simba hoch, setzte sich mit dem Rücken leise an die Verbindungstür zu Karlos Zimmer und platzierte die schnurrende Katze in ihrem Schoß. Simba streckte das Köpfchen hoch. Marie kraulte sie am Hals, lauschte dem ratternden Schnurren und dachte über den zauberhaften Abend nach. Er war mehr als zauberhaft gewesen, verzaubert, und das hatte sie Karlo zu verdanken. Marie mochte ihr stocksteifes Ich manchmal selber nicht. Dieses Ich wäre niemals den Baum
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