Verraeterisches Herz
Dann ließ er den Motor an und fuhr los.
Im Wartezimmer des Krankenhauses lief Francesco wie ein gefangener Löwe auf und ab, während die Ärzte allerlei Untersuchungen an seiner Großtante vornahmen. Draußen regnete es immer noch heftig. Von früher wusste er, dass Alicia Stürme hasste. Aber vor dem Abflug, beruhigte er sich, konnte sich das Wetter längst wieder geändert haben.
Seine Stimmung besserte sich, als ein Arzt ihm mitteilte, seine Großtante könne nach Hause entlassen werden. Ihre eigene Diagnose hatte sich als richtig erwiesen. Sie litt nur an einer kleinen Magenverstimmung.
Bianca fühlte sich mehr als schuldig, ihm wegen dieser Kleinigkeit den Flug nach Cardiff verdorben zu haben, doch er versicherte ihr beharrlich, dass sie das absolut Richtige getan hatte. Außerdem hatte ja Dr. Alva die Anweisung gegeben, die alte Dame sicherheitshalber im Krankenhaus untersuchen zu lassen.
Kurz darauf meldete Giacomo sich und berichtete, die contessa habe sich geweigert, ihn mit ihr bis zum Abflug warten zu lassen. Die Vorstellung, dass Alicia ganz allein im Flughafen von Pisa unterwegs war, behagte ihm zwar ganz und gar nicht, aber in diesem Moment wurde Zia Luisa in einem Rollstuhl ins Wartezimmer geschoben. Um sie nicht zu beunruhigen, zwang er sich zu einem heiteren Lächeln.
Die Rückfahrt zum castello dauerte doppelt so lange wie üblich, weil sich der Regen mittlerweile zu einem Hagelsturm ausgeweitet hatte. Francesco ignorierte die Proteste seiner Großtante und trug sie auf seinen starken Armen in ihr Zimmer. Er ließ sie aufs Bett gleiten, gab ihr einen liebevollen Kuss auf die Wange und überließ sie Biancas Obhut. Gerade als er das Zimmer verlassen hatte, gingen alle Lichter aus. Das castello war ohne Strom.
Francesco versuchte, sich mit ein wenig Arbeit abzulenken, konnte sich aber einfach nicht konzentrieren. Er rief Alicias Handy an. Keine Antwort. Wieder und wieder wählte er ihre Nummer – nichts. Schließlich gab er auf und beschwor sein Handy, einen Ton von sich zu geben.
Doch als der Strom zurückkam, war es das Telefon auf seinem Schreibtisch, das sofort zu klingeln begann.
„Alicia?“, sagte er erleichtert.
„Nein, hier ist Bron, Francesco. Bronwen Hughes“, fügte sie hinzu, falls er sie nicht wiedererkannte. „Können Sie mich verstehen? Die Leitung ist sehr schlecht.“
„Ja, ich verstehe sie“, erwiderte er laut. „Wir haben einen Sturm hier. Wie geht es Ihnen? Ist Alicia schon angekommen?“
„Deshalb rufe ich an. Sie ist noch nicht hier. George und ich wollten sie vom Flughafen abholen, aber Alicia meinte, es sei bereits alles arrangiert.“
„Ich habe ihr gesagt, sie solle ein Taxi nehmen. Sie hat versprochen, sich zu melden, sobald sie gelandet ist. Bislang habe ich noch nichts von ihr gehört.“
„Ich auch nicht. Bestimmt ruft sie gleich an. Besser, ich gehe aus der Leitung, damit sie Sie erreichen kann.“
„Ich sage Ihnen dann sofort Bescheid.“
„Danke, Francesco. Wie geht es übrigens Ihrer Großtante?“
„Viel besser. Nur eine Magenverstimmung, nicht das Herz, wie wir befürchtet haben. Sie musste nicht einmal im Krankenhaus bleiben.“
„Das freut mich sehr.“ Bron schwieg einen Moment. „Ich mache mir ein bisschen Sorgen um Alicia. Sie wissen ja, wie Mütter sind!“
„Davvero.“ Er versuchte, das kalte Gefühl zu ignorieren, das sich in seine Magengrube geschlichen hatte. „Bronwen, rufen Sie mich bitte an, sobald Sie etwas von Alicia hören, per favore .“
„Natürlich. Und Sie melden sich, wenn Sie zuerst mit ihr sprechen, ja? Haben Sie einen Stift? Dann gebe ich Ihnen meine Handynummer.“
Wenn wir doch vor Jahren so offen miteinander hätten sprechen können, schoss es Francesco durch den Kopf, dann hätte eine Menge Schmerz und Leid vermieden werden können.
Da der Computer wieder funktionierte, rief er im Internet die Seite mit den Flugdaten auf. Obwohl der Flug mit einiger Verspätung gestartet war, war er mittlerweile in England gelandet, wie er erleichtert feststellte.
Trotzdem hatte Alicia noch nicht angerufen. Plötzlich brach ihm am ganzen Körper kalter Schweiß aus. Er brauchte dringend eine Dusche.
Das Mobiltelefon in der Hand, lief er die Treppen hinauf in seine Räumlichkeiten, die sich ohne Alicia bereits leer und verlassen anfühlten. Auf der Schwelle zum Bad blieb er stehen. Unter der Dusche bestand die Gefahr, dass er das Klingeln überhörte. Aber zumindest ein wenig frisch machen konnte er
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