Verrat im Zunfthaus
noch konnten sie nicht sicher sein, ob Marie nicht ebenfalls in die Bestechungsgeschichte verwickelt war.
Adelina hoffte inständig, dass sie es nicht sei. Marie schien ihr in vielem sehr ähnlich zu sein, und sie wünschte sich insgeheim, dass sie Freundinnen werden würden. Doch wenn Marie tatsächlich am Hochverrat beteiligt war oder gar an den beiden Morden, drohte ihr der Strick oder das Beil des Henkers.
Als Adelina versuchte, sich die Hinrichtung vorzustellen, bekam sie eine Gänsehaut. Rasch schüttelte sie den Kopf, um auf andere Gedanken zu kommen. Womöglich hatte Marie ja tatsächlich nichts mit alldem zu tun. Sie hatte schließlich keinen Grund, Walter von der Weiden zu unterstützen, außer, dass sie ihrer Schwester damit einen Gefallen getan hätte.
Wesentlich wahrscheinlicher war doch, dass Wolfram Elfge seinem alten Freund beigestanden hatte … Oder aber die gegenteilige Annahme traf zu, und er hatte sich doch endgültig von Walter von der Weiden losgesagt und versuchte nun umso heftiger, dessen Umsturzpläne zu verhindern, und war selbst vor dem Mord an seiner Stieftochter nicht zurückgeschreckt. Immerhin wäre es, wenn es sich tatsächlich um ein Urteil des Femegerichts gehandelt hätte, in den Augen der Freischöffen kein Mord, sondern eine Hinrichtung gewesen. Dagegensprach jedoch das Vorgehen des oder der Täter. Freischöffen schnitten ihren Opfern im Allgemeinen nicht den Leib auf.
«Die dritte Möglichkeit haben wir noch gar nicht bedacht», sagte Adelina laut. Moses hob den Kopf und blickte sie aufmerksam an. Sie stupste ihn sacht mit dem Fuß an. Daraufhin stand er auf, tapste über das Bett und ließ sich dicht neben ihr wieder nieder.
«Es kann nämlich auch sein, dass Maries Vater weder etwas mit dem Femeurteil noch mit dem Edelsteinschmuggel zu tun hat. Wir wissen ja nicht, ob er wirklich einer der Freischöffen ist. Und dass es sich um ein Femeurteil handelt, können wir im Grunde auch nur vermuten. Vielleicht hat jemand ganz anderer von dem Edelsteinschmuggel erfahren und war ganz besessen davon, die Steine in seinen Besitz zu bringen.» Sie gähnte erneut. «Nein, kein Räuber hätte Bela in den Keller des Gaffelhauses locken können. Es muss jemand gewesen sein, der an der Sache in irgendeiner Form beteiligt ist.» Sie hob Fine von ihrem Bauch und legte sie neben Moses, wo sich die Katze schnurrend zusammenrollte.
Leise stand Adelina auf, warf einen prüfenden Blick in die Wiege und zog sich dann aus, kuschelte sich unter die Bettdecke und löschte das Licht.
Von draußen drangen entfernte Stimmen und Gejohle in die Kammer. Offenbar hatten die Nachtwächter tatsächlich noch einen späten Tavernengast aufgelesen.
Adelina schloss die Augen und wünschte sich, Neklas läge neben ihr, denn an seiner Seite, das gestand sie sich mittlerweile, wenn auch ungern, ein, fühlte sie sich sicherer.
***
Nachdem Adelina am folgenden Morgen Griet unter Ludowigs Aufsicht zu den Beginen geschickt hatte, zog sie sich in das Hinterzimmer der Apotheke zurück, um neue Arzneien herzustellen. Mira gab indessen auf die Apotheke acht. Adelina holte gerade ihre Utensilien heraus, als Benedikta und Feidgin das Hinterzimmer betraten und ankündigten, sie wollten heute gemeinsam zum Dom gehen und das zwar unvollendete, jedoch bereits imposante Bauwerk besichtigen.
Adelina nickte erleichtert. Während des Frühstücks hatte Feidgin mit verquollenen Augen vor sich hingeschluchzt und dem Gesinde damit Anlass für jede Menge Tratsch gegeben.
Wieder war es Donatus, der die beiden Frauen ergeben begleitete. Langsam tat der junge Mann Adelina leid.
Sie stellte sich ihre Waage, Mörser und Stößel im Hinterzimmer zurecht und begann mit ihrer Arbeit. Das Rattengift war ihr fast ausgegangen. Vorsichtig gab sie etwas von dem Arsenik, das sie immer fest unter Verschluss aufbewahrte, in die Waagschale und mischte dann eine genau bemessene Menge zerstoßener Getreidekörner hinzu.
Irgendwo im Haus klappte eine Tür, dann hörte sie Ludowigs und Franziskas Stimmen. Stirnrunzelnd lauschte sie, doch es wurde schnell wieder still. Kein Streit heute.
Kurz darauf klingelte das Glöckchen an der Apothekentür, und Meister Jupp streckte seinen Kopf ins Hinterzimmer.
«Verzeiht, meine Liebe, aber würdet Ihr mir wohl noch einmal erlauben, Euren Knecht mitzunehmen? Ich habe ein Haus in der Salzgasse gekauft und gedenke, es noch in dieser Woche mit meiner Familie zu beziehen. Meinebeiden Gesellen sind schon dabei,
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