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Verrat im Zunfthaus

Verrat im Zunfthaus

Titel: Verrat im Zunfthaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Schier
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als Hochverrat hervorgeholt.
    Vor Adelinas Augen schob sich das Bild der alten Ludmilla, der man zur Wahrheitsfindung die Nägel von den Fingern gezogen hatte. Würde sie auch so enden? Mit blutigen, blauviolett verfärbten und geschwollenen Fingerspitzen?
    Adelina hörte Schritte auf dem Gang vor der Zelle näher kommen und erwartete, dass jeden Moment der Riegel an der Tür zurückgeschoben wurde.
    Jetzt kamen sie sie holen. Die Angst schnürte ihr beinahe die Luft ab.
    Doch die Schritte blieben nicht stehen. Der Wächter hatte wohl anderes vor, denn er ging an ihrer Zelle vorbei. Langsam verhallte das Geräusch seiner Stiefel.
    Adelina stieß heftig die Luft aus. Im selben Moment dröhnte ein weiterer Donnerschlag und ließ den Turm erzittern.
    Sie streckte die Arme nach der kalten Mauer aus, stützte sich schwer atmend ab und ließ sich dann mit zitternden Knien auf das Strohlager sinken.

18
    Als das Morgenlicht die Finsternis der Zelle in ein mattes Zwielicht verwandelte, saß Adelina noch immer auf der zerschlissenen Strohmatte. Sie hatte nicht geschlafen; zumindest erinnerte sie sich nicht daran, eingenickt zu sein. Ihre Glieder waren steif vor Kälte, die die Steinwand über Nacht abgestrahlt hatte. Das Gewitter hatte sich verzogen, doch schon seit Stunden regnete es. Die Hitzewelle schien vorüber zu sein.
    Adelina nahm die Schale mit dem Hirsebrei, roch daran und rümpfte die Nase. Dennoch zwang sie sich, ihn zu essen und spülte den geschmacklosen Brei mit einigen Schlucken Wasser hinunter.
    Sich mit gefesselten Händen auf dem Fäkalieneimer zu erleichtern, war gar nicht einfach, und sie ekelte sich entsetzlich vor den verkrusteten Flecken im Inneren.
    Zurück auf der Matratze zupfte sie vorsichtig an ihrem Kleid herum. Ihre Brüste spannten unter dem Stoff. Sie hätte Colin längst die Brust geben müssen. Wie es ihm wohl erging? Ob er sich vor Hunger und Sehnsucht nach ihr seine kleine Seele aus dem Leib schrie? Das Herz zog sich schmerzhaft in ihrer Brust zusammen. Wie konnten sie einfach eine Mutter von ihrem Säugling trennen? Das war grausam und unmenschlich.
    Würde man auf die Schnelle eine Amme für ihn finden? Kümmerte sich Benedikta darum?
    Adelina barg den Kopf in ihren Händen. Sie wollte zuihrem Sohn! War der Vogt so herzlos, dass er ihn verhungern lassen würde? Sie versuchte zu beten, wollte Gott und die Jungfrau Maria bitten, Colin beizustehen; bitten, dass Benedikta schnell eine Frau fand, die bereit war, ihn zu nähren. Doch ihr fielen nicht die rechten Worte ein.
    Die Zeit verrann. Irgendwo läutete eine Kirchenglocke zur Terz. War das St. Severin? Die Glockenschläge wurden untermalt vom gleichförmigen Rauschen des Regens, dann verklangen sie.
    Schritte hallten auf dem Gang. Diesmal hielten sie vor der Zellentür. Der Riegel ratschte über das schwere Eichenholz, und ein Wachmann trat ein. Er war noch sehr jung, das Gesicht glich noch eher dem eines Knaben. Er trug eine Fackel in der linken Hand und winkte ihr mit der rechten aufzustehen.
    «Kommt», sagte er nicht unfreundlich. «Ich bringe Euch zum Verhör.»
    «Was ist mit meinem Sohn?», fragte Adelina.
    Er sah sie irritiert an.
    «Mein Sohn. Er ist erst drei Monate alt. Wenn ich ihm keine Milch gebe, wird er verhungern.»
    Der Wachmann war wirklich noch sehr jung. Er schluckte betroffen, und sein Adamsapfel hüpfte dabei auf und ab.
    «Ich weiß nichts von Eurem Sohn. Ich habe nur den Auftrag, Euch hinunter zum Verhör zu bringen.»
    Hinunter? Dorthin, wo man die Folterwerkzeuge aufbewahrte? Adelina fuhr ein kalter Schauer übers Rückgrat.
    «Ich will zu meinem Sohn!»
    Der Wachmann schüttelte bedauernd den Kopf, kam näher und fasste nach der Kette an den Handfesseln.«Ich kann Euch nicht helfen. Aber bestimmt kümmert sich jemand um ihn», versuchte er sie zu beruhigen. Ihm war ganz offensichtlich nicht wohl in seiner Haut. Doch er hatte einen Auftrag und zog nun auffordernd an der Kette.
    Adelina stand auf und folgte ihm steif.
    Er führte sie den schmalen Gang entlang zur Treppe, die sie am vergangenen Vormittag heraufgestiegen war. Es ging zwei Stockwerke hinab und dann in einen kleinen Raum, in dem nur ein dreibeiniger Hocker und ein altes Stehpult standen.
    «Ihr müsst hier warten», sagte der Wachmann und schlug hinter Adelina die Tür zu.
    Sie trat an das vergitterte Fenster, das zum Rhein hinausging. Sie sah Soldaten und Schiffer unten am Ufer. Offenbar war gerade einer der Treidelkähne angehalten

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