Verrat im Zunfthaus
ich hörte, hat der Hauptmann den Soldaten auspeitschen lassen.»
«Greverode hat das veranlasst?»
«Er soll die ersten zehn Hiebe mit eigener Hand geführt haben.»
«Ich möchte aufstehen und nach Franziska sehen.» Adelina machte Anstalten, die Füße über den Bettrand zu schwingen, doch Benedikta hielt sie auf. «Warte bitte noch. Ich … ich weiß nicht, ob es noch zu früh ist, aber ich denke, du solltest es wissen.»
«Was sollte ich wissen?» Erschrocken hob Adelina den Kopf und sah zu ihrer Schwiegermutter auf, die unruhig von einem Fuß auf den anderen trat.
«Mach dir bitte keine zu großen Sorgen … Neklas und sein Freund, dieser Chirurg, sind ja bereits auf der Suche …» Sie atmete tief durch und blickte Adelina fest in die Augen. «Mein Liebes, Griet ist seit vorgestern verschwunden.»
«Was … Wie bitte?» Adelina starrte sie schockiert an. «Wieso verschwunden? Ludowig hätte sie doch von den Beginen abholen sollen.»
«Das wollte er auch, aber er wurde niedergeschlagen, als er auf dem Weg dorthin war. Und seither ist Griet nicht mehr aufgetaucht.»
«Die Beginen, haben sie denn nicht gesehen, ob sie mit jemandem mitgegangen ist?»
Benedikta schüttelte bedauernd den Kopf. «Leider nicht. Sie haben Griet zusammen mit den anderen Mädchen hinausgehen lassen und … Es ist schrecklich, Adelina. Wir haben inzwischen natürlich durch Ludowig von der Sache am Mühlbach erfahren. Daraufhin hat Meister Jupp seinen Onkel, diesen griesgrämigen Mönch, hierhergebracht. Und seither sind sie auf der Suche nach Griet.»
«Thomasius hilft ihnen?» Verwundert rieb sich Adelina die Stirn und versuchte, ihre Gedanken zu ordnen. Vor Angst um ihre Stieftochter zogen sich ihr die Eingeweide zusammen. «Warum habt ihr mir nicht gleich davon erzählt? O Gott, und ich dachte, sie phantasiere, als sie mir von dem Geist erzählt hat!» Nun schwang sie doch die Beine über den Bettrand und griff nach Neklas’ Hausmantel, der über dem Fußende hing.
«Von was für einem Geist redest du denn?», wollte Benedikta wissen.
Adelina ging zu ihrer Kleidertruhe und zog ein Kleid und frische Wäsche heraus. Eilig begann sie, sich anzuziehen. «Das ist eine lange Geschichte. Benedikta, ich fürchte, man hat Griet entführt, um mich … um uns unter Druck zu setzen.»
Diese Erkenntnis war ihr mit einem Schlag gekommen. Plötzlich passte alles zusammen. Eginhard Laufer war vor drei Tagen in ihrer Apotheke gewesen und hatte behauptet, im Auftrag des Vogts Erkundigungen einzuholen. Am nächsten Tag war sie verhaftet worden … und Griet entführt. Als der Vogt Adelina befragt hatte, war herausgekommen, dass Laufer gar nicht in seinem Namen unterwegs gewesen war, und man hatte ihn seither nicht mehr auffinden können.
***
«Er hat Griet entführt, da bin ich ganz sicher.» Adelina hatte nach dem Gewaltrichter schicken lassen und saß nun mit ihm und Benedikta zusammen am Küchentisch.
Zu Adelinas Füßen lag Moses und schnaufte leise im Schlaf. Er hatte eine Wunde am Kopf und einen Verbandum die linke Vorderpfote. Gustav hatte ihm offensichtlich einen ordentlichen Tritt verpasst, aber zumindest war der Hund am Leben geblieben. Adelina fuhr ihm sanft mit der Fußspitze über das Fell und fuhr fort: «Laufer wollte mich offensichtlich aus dem Weg haben. Er fürchtete wohl, ich würde zu viel herausfinden. Ihm muss aber bewusst gewesen sein, dass man die Anklage gegen mich nicht lange würde aufrechterhalten können. Deshalb hat er sich Griet geschnappt. Ein besseres Druckmittel konnte er nicht finden.»
«Hm», brummte Reese und rieb sich das Kinn. «Ihr könntet recht haben. Andererseits, so ganz abgeschlossen ist die Sache wegen der Geldkassette noch nicht. Wenn wir wenigstens den Überbringer ausfindig machen könnten …»
«Aber Mira hat ihn doch gesehen. Konnte sie ihn denn nicht beschreiben?»
«Nun ja, so gut es ein Kind eben vermag», meinte Reese. «Aber ihre Beschreibung könnte auf hundert Männer zutreffen.»
Enttäuscht verzog Adelina die Mundwinkel. «Es war jedenfalls vernünftig, sie und Vitus in Meister Jupps Haus unterzubringen», sagte sie zu Benedikta. «Nicht auszudenken, wenn ihnen auch noch etwas zustieße.»
«Wir müssen also davon ausgehen, dass der Gehilfe des Vogtes und dieser Schreiber …»
«Caspar.»
«… dass die beiden die Seiten gewechselt haben», schloss Reese.
Adelina nickte. «Ich hatte den Eindruck, sie versuchen, Maries Vater in Verdacht zu bringen, mit den
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