Verrat im Zunfthaus
Zimmer. Sie nahm den Geruch von Kräutern wahr: Knoblauch, Salbei, Melisse und einige andere, die sie nur zu gut kannte. Ihre Erleichterung war so groß, dass sie die Augen entspannt geschlossen hielt und den Geruch tief in sich einsog. Ludmilla war hier!
«Magister van Stijn meinte, ihre Milch würde versiegen, deshalb habe sie Fieber bekommen», hörte sie Benedikta sagen. «Nicht wahr, Herr Magister?»
«Ah, ah, ah, so schnell versiegt die Milch einer Frau nicht.» Ja, diese dunkle, etwas brüchige Stimme gehörte eindeutig Ludmilla. «Seht doch, wie geschwollen und hart ihre Brüste sind.»
Jemand hüstelte verlegen. Der Arzt?
Ludmilla kicherte. «Die Milch hat sich lediglich gestaut, sonst nichts. Hat sie sich in den letzten Tagen besonders aufgeregt? Zu wenig Ruhe gegönnt? Ach, was frage ich, das tut sie ja immer, nicht wahr? Wie? O ja, ich vergaß, das Gefängnis. Kein Wunder also. Schaut her, Herr Magister, das Fieber ist schon gesunken. Jetzt muss sie nur noch aufwachen und diesen Trunk hier zu sich nehmen.»
«Bier?» Das war van Stijns Stimme.
«Nicht nur einfach Bier, Herr Magister. Ich habe Kümmel und noch ein paar andere Kräuter hineingetan.»
«Nun ja, wenn Ihr meint.» Er klang skeptisch.
Ludmilla ließ sich davon jedoch nicht beirren, sie wandte sich an Benedikta. «Gute Frau, würdet Ihr mirhelfen, sie hiermit einzureiben? Die Paste ist jetzt so weit abgekühlt, dass man sie auftragen kann.»
«Und Ihr seid sicher, dass ich sie nicht zur Ader lassen soll?», fragte der Arzt in etwas beleidigtem Ton. «Ein Chirurg wäre schnell aufgetrieben.»
«O nein, bleibt mir mit Euren Nadeln vom Leib!», fuhr Adelina auf. Sie öffnete die Augen und suchte nach dem Arzt, der neben der Tür stand und nicht recht zu wissen schien, ob er zu ihr hinsehen sollte oder nicht.
Ludmilla lachte keckernd. «Na was, du bist ja doch schon wach! Wie schön. Trink das!» Sie hielt ihr einen Becher vor die Nase.
Adelina nahm ihn ohne zu zögern und leerte ihn in einem Zug. Das Gebräu schmeckte bitter, jedoch nicht unangenehm. «Mehr?», fragte sie und bedachte die großgewachsene alte Frau mit der langen gebogenen Nase mit einem dankbaren Lächeln.
Ludmilla nickte. «Noch einen Becher, aber nicht mehr. Danach nur noch Wasser.»
Benedikta beugte sich über Adelina und tastete ihr über die Wange. «Das Fieber ist weiter gesunken, dem Himmel sei Dank!» Sie lächelte erleichtert. «Wie geht es dir?»
Adelina lächelte schwach zurück. «Besser», sagte sie. «Wäre es wohl möglich, etwas zu essen zu bekommen?»
«Aber ja doch, ich rufe Magda, dass sie dir ein Frühstück macht.» Benedikta eilte zur Tür und rief nach der Magd, die wenig später mit Brot, Käse und einem Stück gebratenem Speck ins Zimmer kam.
Adelina aß mit Appetit und fühlte sich danach sogar so gut, dass sie aufstehen wollte.
«Nein, meine Liebe, Ihr solltet Euch noch Ruhe gönnen», wehrte der Arzt ab.
Ludmilla hingegen schnalzte und blickte ihn verständnislos an. «Was denn, soll sie tatenlos im Bett herumliegen und warten, dass die Zeit vergeht? Wenn sie sich danach fühlt, muss sie sogar aufstehen. Freilich darfst du es nicht übertreiben», wandte sie sich an Adelina. «Nichts heben und keine unnötige Aufregung, verstanden? Aber ein wenig Bewegung dürfte nach zwei Tagen im Bayenturm nicht schaden. Ich sehe derweil nach dem Mädchen, wenn es erlaubt ist.» Ludmilla nahm den Korb, den sie neben der Tür abgestellt hatte und verließ den Raum.
Adelina blickte ihr verständnislos nach. «Nach wem will sie sehen?»
Benedikta hüstelte und warf dem Arzt einen kurzen Blick zu. Der nickte und verließ mit einer gemurmelten Entschuldigung die Kammer.
Alarmiert sah Adelina ihre Schwiegermutter an. «Was ist geschehen? Ist etwas mit Mira oder Griet oder … Franziska?», fiel es ihr plötzlich siedendheiß ein.
Benedikta trat zu ihr und nahm ihre Hand. «Langsam, meine Liebe. Eins nach dem anderen. Neklas hat die alte Frau gebeten, nach Franziska zu sehen. Sie ist seit … seit der Sache … Sie liegt in ihrer Kammer und redet nicht mit uns.»
«Er hat ihr Gewalt angetan, nicht wahr? Dieser Bastard!» Adelina Miene verfinsterte sich, und sie schluckte heftig an dem Kloß, der sich in ihrem Hals gebildet hatte. «Ist sie verletzt?»
«Nicht sehr, jedenfalls nicht körperlich. Man kann auch nicht genau sagen, was er mit ihr angestellt hat, denn sie redet ja nicht.» Benedikta verzog mitleidig die Mundwinkel. «Das arme Mädchen. Wie
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