Verrat im Zunfthaus
haben!», presste Franziska verzweifelt hervor und starrte wieder gegen die Wand.
Adelina verstärkte den Druck auf ihren Arm. «Hör zu, er … Nein, bleib hier!», rief sie Ludowig zu, der sich davonstehlenwollte. Rasch stand sie auf und ging zu ihm. «Geh zu ihr, sprich mit ihr!»
«Ich kann das nicht, Herrin. Sie will doch, dass ich geh.»
Adelina stemmte die Hände in die Seiten und blickte ihm streng in die Augen, was gar nicht so einfach war, da er sie um fast zwei Haupteslängen überragte. «Was sie ganz sicher nicht will, ist ein Feigling, Ludowig. Gerade eben hast du mir noch gesagt, du hast sie lieb.» Bei diesen Worten drehte sich Franziska abermals auf ihrer Matratze um, und Ludowig wurde leuchtend rot vor Verlegenheit.
«Das stimmt doch, Ludowig? Oder hast du es dir anders überlegt?»
«Ja, Herrin, ich meine nein, äh …», stammelte der Knecht verzweifelt.
Sie lächelte und drehte sich zu Franziska um, die mit großen Augen zu ihnen herüberblickte. «Dann geh jetzt zu ihr und sag es ihr. Und du», Adelina fixierte Franziska, die bereits Luft geholt hatte, um zu protestieren. «Du lässt den Mann ausreden, ist das klar? Ich kann eure Zankerei nämlich nicht einen Tag länger ertragen.» Adelina trat beiseite und schob Ludowig Richtung Bett. Dann verließ sie die Kammer, blieb jedoch, der Schicklichkeit halber, vor der Tür stehen.
Was die beiden miteinander sprachen, konnte Adelina nicht verstehen, doch nach einer Weile hörte sie Franziska herzzereißend schluchzen. Besorgt spähte sie durch den Türspalt, zog sich jedoch beruhigt wieder zurück, als sie sah, dass der bullige Knecht Franziska an sich gezogen hatte und ihr, die an seiner Schulter weinte, sanft übers Haar strich. Franziska klammerte sich an ihn, und ihrezierliche Gestalt verschwand beinahe in seiner Umarmung. Adelina war froh, dass die beiden sich endlich aussprachen und dass Franziska bei Ludowig den Trost zu finden schien, den sie im Augenblick so dringend brauchte. Doch gleichzeitig überlegte sie, welche neuen Probleme ihr damit nun wohl ins Haus stehen würden.
20
«Und nun erzähle mir, was dir auf dem Herzen liegt», forderte Ludmilla Adelina auf, die zusammen mit Ludowig wieder in die Küche zurückgekehrt war. Franziska war, nachdem sie sich bei Ludowig ausgeweint hatte, erschöpft eingeschlafen. Der Knecht nahm sich nur einen Apfel und ging hinaus an seine Arbeit. Feidgin und Benedikta saßen mit Colin auf der Ofenbank; sie hatten Ludmilla offenbar noch nichts von Griets Verschwinden erzählt.
Adelina setzte sich zu Ludmilla an den Tisch und berichtete ihr von den Vorfällen der letzten Tage.
«Das ist eine schlimme Sache», sagte Ludmilla, als Adelina geendet hatte. «Unglaublich, dass sie ein kleines Mädchen entführen, um dich unter Druck zu setzen. Hoffen wir, dass es ihr besser ergeht als deiner Magd.»
Erschrocken blickte Adelina sie an. Daran hatte sie noch gar nicht gedacht! Und wenn sie bedachte, wie sehr das Kind in der Vergangenheit bereits gelitten hatte, wurde ihr ganz schlecht. Doch sie riss sich zusammen. Es konnte den Patriziern nicht daran gelegen sein, dem Kind Schaden zuzufügen.
Sie hörte das Glöckchen an der Haustür und Moses’ aufgeregtes Bellen. Eilig stand sie auf, doch im selben Moment wurde bereits die Küchentür aufgestoßen.
Neklas, Meister Jupp und Thomasius drängten in dieKüche. Adelina und Benedikta halfen ihnen aus ihren triefend nassen Umhängen und hängten sie zum Trocknen am Ofen auf.
«Gut, dass wir dich getroffen haben», sagte Meister Jupp gerade zu Neklas. «Wir haben uns überlegt, ob wir nicht gemeinsam mit diesem Gewaltrichter …»
«Jupp?» Ludmilla war aufgesprungen und auf den Chirurgen zugegangen. «Josef Kornbläser?»
Überrascht starrte Meister Jupp die weise Frau an. «Tante Ludmilla? Das ist nicht möglich! Was tust du hier? Du bist doch … Ich dachte, du lebst im Kloster?»
Thomasius stieß einen zischenden Laut aus, auf den Ludmilla mit einem verächtlichen Stirnrunzeln reagierte. «Halt dich da heraus, Thomas. Ich habe meinen Neffen seit einer Ewigkeit nicht mehr gesehen. Lass dich anschauen, Junge!» Sie umrundete Meister Jupp und kniff ihm in den Arm. «Kräftig wie dein Vater. Und dennoch aus anderem Holz geschnitzt. Ich sehe keine Gelehrtentonsur, dein Mantel ist nicht der eines Arztes. Was ist also aus dir geworden?»
Meister Jupp lächelte. «Mein Studium habe ich in Salerno abgeschlossen, gemeinsam mit diesem Tunichtgut.» Er wies
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