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Verraten

Verraten

Titel: Verraten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Esther Verhoef , Berry Escober
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vier Stunden später fuhr er auf der Autobahn an Aix-en-Provence vorbei. In Port Grimaud hatte er sich mehr schlecht als recht frisch gemacht. Seine Wunden behandelt. Sich das Öl an den Händen mit Spülmittel abgeschrubbt, das noch gemeiner brannte als der ganze Dreck zusammen. Anschließend hatte er einen Verband angelegt, der die Finger frei ließ. Er hatte seine nassen, kaputten Kleider in einen Container vor dem Apartmentkomplex geworfen und saubere Sachen angezogen. Aber er sah immer noch aus, als habe man ihn nach Tagen unter einem eingestürzten Gebäude hervorgezogen. In einem ersten Impuls hatte er vorgehabt, weiter nach Süden zu fahren. Nach Spanien. Oder auf der Autobahn, die an Cannes, Monaco und Nizza vorbeiführte, bis nach Italien. So weit wie möglich von den Russen und ihren Bluthunden weg. Er wollte in einem Versteck irgendwo im tiefen, anonymen Süden Europas wieder zu Atem kommen und einen Plan ausarbeiten. Aber er hatte diese Idee rasch wieder fallen gelassen und an ihre Stelle war eine lähmende Angst getreten.
    Ihm war inzwischen klar geworden, dass er die ganze Organisation wachgerüttelt hatte. Der Sender musste bereits in den Niederlanden an seinem Auto befestigt worden sein. Wahrscheinlich klebte ein identischer Apparat unter dem Porsche. An der Art und Weise ihres Vorgehens hatte er erkannt, dass die Männer Profis waren.
    Er hatte eine Gruppe von Leuten gegen sich, die genau wussten, was sie taten. Sie verfügten über Waffen, Ausrüstung und Mitarbeiter. Dass er die Zwillingsbrüder hatte ausschalten können, war mehr Glück als Verstand gewesen. Und es verschaffte ihm lediglich eine Atempause. Einen Hinrichtungsaufschub. Sie würden keine Ruhe geben. Man würde ihm einen frischen Trupp russischer Mordmaschinen auf den Hals hetzen, daran bestand kein Zweifel. Da konnte er sich ganz sicher sein.
    Solange er sich auf so unlogischen Wegen wie möglich fortbewegte, nirgendwo länger als zwei Tage blieb und die Augen offen hielt, würden sie sich allerdings schwertun, ihn zu erwischen.
    Aber er hatte einen schwachen Punkt. Es gab ein Druckmittel, das sie gegen ihn einsetzen konnten. Das Einzige, mit dem er sich aus der Reserve locken lassen würde. Und die Wahrscheinlichkeit war groß, dass sie davon wussten. Susan.
    In den letzten zwei Stunden hatte er ununterbrochen versucht, sie zu erreichen. Vergeblich. Was, wenn sie sie schon erwischt hatten? Ihm brach der Schweiß aus.
    Die Stunden krochen vorüber.
    Es war fast zwei Uhr nachts, als er in einer Vorstadt von Brüssel ankam. Er fuhr so lange weiter, bis er ein heruntergekommenes Viertel erreichte. Er stieg aus. Schäbige, braune Backsteinhäuser, deren hohe Fassaden direkt an den abgesackten Bürgersteig angrenzten. Mindestens die Hälfte der Häuser schien leer zu stehen. Durch die mit Graffiti besprühten, zugenagelten Türen und Fenster bot die Häuserzeile einen trostlosen Anblick. Es war dunkel und still hier. Ein perfekter Ort, um den Landcruiser loszuwerden.
    Er holte seine Sachen aus dem Auto, hakte die Funkfernbedienung und den Zündschlüssel von seinem Schlüsselbund und legte beides auf den Fahrersitz. Öffnete den CD-Wechsler und holte seine CDs heraus. Überprüfte das Handschuhfach. Aus einer Klappe über der Konsole nahm er seine Sonnenbrille und steckte sie in eine der Reisetaschen. Schloss die Tür, schwang sich die drei Taschen über die Schulter und machte sich auf den Weg.
    Am Ende der Straße drehte er sich noch einmal um und warf einen Blick zurück auf sein Auto. Bestimmt eine Minute lang blieb er so stehen und prägte sich das Bild seines Landcruisers ein. Er sah ihn zum letzten Mal. Schon nächsten Monat würde irgendein anderer Kerl in Sankt Petersburg, Warschau oder Riga damit durch die Gegend fahren. Es tat ihm leid, das Auto zurücklassen zu müssen. Er hatte viel Spaß damit gehabt.
    Ebenso wie den Porsche hatte er den Landcruiser damals nicht als Statussymbol gekauft, obwohl es eine Zeit gegeben hatte, in der er für solche Dinge nicht unempfänglich gewesen war. Damals hatte er einen unbezähmbaren Drang verspürt, sich zu beweisen, der Welt mitzuteilen, dass Sil Maier, ein Junge aus einem Asozialenviertel, der seinen Vater nie gesehen hatte, es geschafft hatte. Doch als er Sagittarius verkaufte, war diese Phase schon lange vorbei gewesen.
    Beide Autos hatten ihn wegen ihrer Motoren maßlos begeistert. Der Porsche wegen seiner flirrenden Geschwindigkeit, Wendigkeit und der Empfindlichkeit, mit der er

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