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Verraten

Verraten

Titel: Verraten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Esther Verhoef , Berry Escober
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niemandem, wo du hinfährst oder wo ich mich aufhalte. Niemandem. Versprichst du mir das?«
    »Ja«, hörte sie sich sagen. »In Ordnung.«
    »Und Susan?«
    »Ja?«
    »Vergiss die Filme. Komm direkt zu mir.«
    Sie schwieg.
    »Susan?«
    »Ja?«
    »Versprich es mir.«
    Sie seufzte. »Okay, versprochen.«
    »Pass gut auf dich auf.«
    Danach unterbrach er die Verbindung. Sie schaute den Telefonhörer an. Jetzt machte sie sich erst richtig Sorgen.
    In der kleinen Seitenstraße gab es nur ein Hotel. Und genau wie Sil gesagt hatte, war hinter dem schmuddeligen Schalter im Foyer niemand zu sehen. Susan stieg die Treppe hinauf. Die Läufer waren an den Rändern noch rot, in der Mitte jedoch völlig verschlissen. In dem Gebäude roch es muffig, als seien seit seiner Erbauung niemals die Fenster geöffnet worden. Im zweiten Stock ging Susan durch den schmalen Flur und suchte die richtige Zimmernummer. Aus einem unerfindlichen Grund waren die Ziffern an den Türen fast bis zur Unleserlichkeit abgewetzt. In der Mitte des Flures blieb sie vor einer Tür stehen, auf der sie mit viel Fantasie die Ziffer 3 erkennen konnte. Zögernd klopfte sie an.
    Tocktock-tock-tock-tocktocktock.
    Im nächsten Moment wurde sie grob ins Zimmer gezerrt. Sil schloss sofort die Tür hinter sich. Drehte sich zu ihr um. Sie erschrak. Er hatte sich seit mindestens vier Tagen nicht rasiert, und seine Augen waren blutunterlaufen. Seine Oberlippe war geplatzt. Am Haaransatz über der Stirn klebte geronnenes Blut und außen an seinem linken Auge zeichnete sich ein sichelförmiger Bluterguss ab, der bis zum Wangenknochen reichte. Durch den blauen Fleck war auch sein Auge teilweise zugeschwollen. Er sah aus, als käme er von der Front. Auch seine Arme und Hände waren bedeckt mit abheilenden Schürfwunden. Verwirrt blickte sie zuerst in sein mitgenommenes Gesicht, dann auf seine Arme und wieder zurück.
    »Was ist denn mit dir passiert?«
    »Ich stecke in Schwierigkeiten«, antwortete er leise. »Ich musste untertauchen und hier wird man mich vorerst nicht so schnell suchen.«
    Wieder schaute sie ihn verständnislos an.
    »Ich habe ein paar Leuten ins Handwerk gepfuscht«, erklärte er. »Und die ganze Sache ist ein bisschen aus dem Ruder gelaufen.«
    Sie öffnete den Mund, um ihn weiter auszufragen, aber er brachte sie mit einer Handbewegung zum Schweigen.
    »Gleich«, sagte er und hockte sich neben eine Reisetasche. »Möchtest du etwas trinken? Ich kann dir heute leider nur Bier oder Sprudel anbieten.«
    »Meinst du, ich könnte vielleicht ein bisschen Alkohol gebrauchen?«
    Er verzog das Gesicht zu einem unsicheren Grinsen und reichte ihr eine Dose Bier. Sie suchte einen Platz zum Hinsetzen, fand keinen Stuhl, setzte sich ans Fußende des Bettes und riss die Bierdose auf. Sah zu, wie er ein Päckchen Camel vom Nachtschränkchen nahm, eine Zigarette herausklopfte und sie anzündete. Dann wandte er sich zu ihr um. Ihr fiel auf, dass er sich verändert hatte. Es lag nicht nur an den Verletzungen. Es war seine Haltung. Seine ganze Ausstrahlung. Er setzte sich neben sie auf das Bett und starrte auf den Boden, wo sich vergilbte Stromkabel, die keinerlei Funktion zu haben schienen, neben einer dunkelbraunen Fußleiste entlangschlängelten. Er rollte die Bierdose zwischen den Handflächen hin und her. Die Zigarette lag unangerührt in einem Aschenbecher vor ihm auf dem Boden.
    »Ich möchte dir etwas erzählen, Susan«, begann er. »Es gibt da einiges, was du nicht über mich weißt. Was du aber wissen solltest.«
    Gespannt blickte sie ihn an.
    »Ich begehe Raubüberfälle«, beichtete er in einem Atemzug.
    Seine Worte trafen sie wie Schüsse. Auf der Fahrt nach Antwerpen hatte sie sich in Gedanken die verschiedensten Szenarien ausgemalt, aber keinen Moment, keine Sekunde lang hatte sie an so etwas gedacht. Sie war wie vor den Kopf geschlagen. Es dauerte einige lange, stille Minuten, bevor sie wirklich begriff, was er da gesagt hatte. Die unterschiedlichsten Gefühle übermannten sie. Sie musste sich mit aller Gewalt beherrschen, um nicht mit den Fäusten auf ihn loszugehen. Sie sprang vom Bett auf.
    »Du lässt mich den ganzen Weg hierherkommen, um mir zu erzählen, dass du ein Verbrecher bist?«
    »Nein, so ist es nicht«, unterbrach er sie hastig. »Oder jedenfalls nicht ganz. Ich weiß nicht, was du unter einem Verbrecher verstehst, aber ich raube nicht etwa Tankstellen oder Banken aus. Das ist doch erbärmlich. Etwas für verzweifelte Versager. Ich dachte, du

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